Freiheit bis zum Horizont

Glücklich und innerlich erfüllt komme ich von einer Urlaubswoche in Hamburg zurück. Mit dem Wissen: So, wie ich momentan lebe, will ich nicht bis an mein Lebensende leben. Diese eine Woche in einer pulsierenden Metropole hat es mir wieder deutlich vor Augen geführt. Ja, man gewöhnt sich an alles. Ja, ich habe hier soziale Kontakte und was man halt so braucht. Aber ich bin für das Leben in einer Kleinstadt oder gar auf dem Dorf einfach nicht gemacht.

Obwohl ich allein unterwegs war (und manchmal vielleicht gerade deshalb) habe ich diese Woche in vollen Zügen genossen. Das ausgedehnte Sight Seeing Programm war dabei nur das eine, das andere einfach: In der der Menge untertauchen, eine von vielen sein, nicht überall erkannt werden, unter Menschen sein können und doch eigene Wege finden.
HamburgMichelAltar
Am Wochenende war außerdem Christopher Street Day in Hamburg – was ich nicht wusste, die Regenbogenfahnen fielen mir erst auf, als ich am ersten Tag in Hamburg am Jungfernstieg aus der U-Bahn kam. Aber dann habe ich den natürlich „mitgenommen“: Übers Straßenfest schlendern, bzw. mich im Gedränge schieben lassen, ein Plausch mit dem Hamburger AIDS-Seelsorger am Rand, Parade gucken. Und das alles so erfreulich normal finden können.
HamburgCSD
Ich finde, dass man den Geist und das Lebensgefühl einer Stadt daran erkennt, wie selbstverständlich „sexuelle Minderheiten“ in ihr leben können und wie normal es sich anfühlt, sich in den „einschlägigen Vierteln“ zu bewegen (in München das Glockenbachviertel, in Hamburg St. Georg). Ich möchte eigentlich nicht auf Dauer in einer Stadt leben, in der es das nicht oder nur versteckt gibt. Und so war mein auserkorenes Stammlokal in dieser Woche ganz bewusst das Café Gnosa – Hamburgs berühmtestes schwullesbisches Café, mit einer sagenhaften Auswahl an Kuchen. Und die Rebhuhnkeule war auch lecker. Vor allem aber, weil es mir gefällt, wo die Regenbogenfahne weht. Ich habe da immer irgendwie den Eindruck, dass auch ich mich da nicht verbiegen muss. Der Regenbogen ist halt nicht nur ein Symbol für eine sexuelle Orientierung, sondern für Vielfalt.

Fünf Tage in Hamburg – und ich habe Abstand gewonnen von sehr vielem. Es gibt nicht nur Coburg und Kirche. Die Welt ist größer.
An Hamburg gefällt mir, dass es eine pulsierende Großstadt ist, liberal, weltoffen, mit einem Hafen und viel Wasser. Mir gefällt das quirlige Nebeneinander und Miteinander von so vielen Kulturen, von hanseatisch kühl bis afrikanisch bunt. Und dass sich da Menschen sehr unterschiedlicher Kulturen auf engstem Raum tummeln, ohne sich die Schädel einzuschlagen. Auch das Ineinander von Hochkultur und Kiez. Das kenne ich aus München so nicht. Beispiel: Das Schauspielhaus, eine der größten Bühnen Deutschlands, steht praktisch quer gegenüber vom Bahnhof. Und die schicken Premierengäste laufen ein paar Meter weiter vorbei an türkischen und arabischen Cafés – und in wenn sie in die andere Richtung laufen, stehen sie auch schon mitten in St. Georg. Die unterschiedlichen „Szenen“ sind wesentlich weniger scharf voneinander abgetrennt, als z.B. in München.

Mit andere Worten: Es ist eine wunderbare Stadt. Und ich kann mir sehr gut vorstellen hier zu leben. Da ich in Coburg sicher nicht alt werde – warum nicht? Bisher habe ich immer in Richtung Heimat gedacht. Zurück nach München. Aber warum nicht die entgegen gesetzte Richtung? So richtig hält mich in Bayern ja eigentlich nichts mehr.

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