Praktischer Atheismus

Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele nominelle Christen, auch solche die sonntags in die Kirche gehen, im praktischen Sinn Atheisten sind. Sie glauben zwar irgendwie irgendwas und dass Gott irgendwo ist, aber es hat keine Auswirkungen auf ihr Leben.
Jesus sagt: Sorgt euch nicht, denn euer himmlischer Vater sorgt für euch.
Abraham macht sich im Vertrauen auf Gott im hohen Alter von 70 Jahren noch auf den Weg in ein Land, das ihm versprochen wurde, das er aber nie gesehen hat.
Die Bibel kennt noch mehr solcher Beispiele. Was nützt mir denn ein Glaube an einen Gott, wenn ich mir am Sonntag eine schöne Predigt anhöre, aber dann im Alltag so lebe, als gäbe es keinen Gott?
Die Frage ist doch nicht, ob es Gott „gibt“ oder nicht. (Einen Gott, den es „gibt“ wie eine Teetasse oder eine Straßenlaterne gibt es sowieso nicht.) Sondern wo man konkret mit ihm rechnet.
Glaube ich, dass mich jemand (er)hört, wenn ich bete?
Glaube ich, dass Gott meine Wege kennt, mich begleitet und mich leitet?
Glaube ich, dass Gott nicht nur irgendwie für alle da ist (und in Wirklichkeit für keinen), sondern für mich?
Und wenn ich das glaube, warum bin ich dann oft so verdammt hasenherzig, kleingeistig und verzagt?
Ich glaube.
Punkt.

9 Kommentare zu „Praktischer Atheismus

  1. wunderschöne Worte! Ich fand es immer komisch warum Leute zu hohen Feiertagen in die Kirche gehen, wenn sie praktisch nichts mit Gott zu tun haben, Gott also im Alltag nicht mit einbeziehen oder bedenken. Manchmal beten Menschen, wenn sie ein Problem haben oder ihre Fußballmannschaft gewinnen soll. Ich frage mich ob das nicht eine eigene Kategorie von Religion verdient. Das hat in meinen Augen aber nichts mit Christentum oder Glauben zu tun.

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  2. Bei aller Dialogbereitschaft: Was ist hier die Frage? Ich höre hier die/eine Antwort, dass es wohl Kriterien gibt, wie praktisches Christentum aussieht, aussehen muss. Aber wer will das wirklich wissen. Die erwähnten „praktischen Atheisten“, wenn sie wirklich welche sind, stellen diese Frage nicht und die anderen, die aus welchem Grund auch immer eimal im Jahr oder regelmäßig in die Kirche gehen sind Suchende, die wohl das, was die Kirche anbietet im Alltag nicht gebrauchen können. Die Frage lautet doch eher, ob die Kirche etwas hat, was mehr ist, als der praktische Atheismus beinhaltet. Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass in der Kirche Fragen beantwortet werden, ohne dass jemand eine Frage gestellt hat. Es lässt sich dann leicht über Suchende urteilen, wenn man ihre Fragen nicht kennt und trotzdem antwortet. Meist sind es auch noch Antworten aus der Zeit der deduktiven Scholastik (Mittelalter), wo woher schon fest stand, was allgemein richtig war und die Antwort daran gemessen wurde, ob sie diese Grundsätze bestätigt werden oder nicht. So kann man sich selbst bestätigen und mit einem super gutem Gefühl auf andere herabgucken. Dann ist es aber nicht verwunderlich, dass die praktischen Atheisten eh auf dem falschen Weg sind, solange sie nicht unsere Antworten, auf hoffentlich unsere eigenen Fragen geben. Das aber hat nun überhaupt nichts mit Christentum zu tun. Jesus ist der Heiland der Suchenden und Zweifler. Ich lese im Neunen Testament, dass er glaubenstechnisch nur von Flachzangen umgeben war, die noch nicht einmal nach Jahren des praktischen vom Heiland vorgeführten Glauben geschnallt haben, wie sie das im Alltag rüberkriegen. Ich liebe diesen Gott mit diesem seltsamen Heiland der Flachzangen. Auf der Suche nach ihm fühle ich mich trotz allem Zweifeln, aller Fehlerhaftigkeit und dem praktischen Atheismus meines Alltag, geborgen und motiviert nicht aufzugeben, sensibel zu bleiben für die meist unmerklichen Augenblicke der Berührung des Herzens, den zarten Luftzügen des Geistes und dem unbändigen Bedürfnis Gottes, ein Geheimnis des Glaubens zu bleiben. Ich glaube fast, dass Gott es extra so spannend gemacht hat, damit wir selbst auf der Suche bleiben und nicht so viel Zeit damit verbringen anderen den Glauben schwer machen, indem wir ihr Suchen mit falschen Antworten erschweren. Wie war jetzt die Frage?

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    1. Nee so isses nicht gemeint, dass ich hier irgendwelche Kriterien habe. Ich erlebe nur zurzeit, dass lauter Leute, die auch in die Kirche gehen (was ich zurzeit selber eher selten tue) durchblicken lassen, dass sie meinen Weg, zurzeit ein völlig ungesicherter und ebenfalls suchender, überhaupt nicht verstehen. Glaube heißt für mich gerade, solche Zeiten im Vertrauen auf Gott auszuhalten. Damit rechnen, dass er da ist. Manche, die sich wohl als gläubig verstehen, begreifen nicht, dass mein Weg mich zurzeit aus der Kirche heraus führt. Auch in eine materielle Unsicherheit, wo ich nur sagen kann: Gott, mach jetzt einfach!! – Mit praktischem Atheismus meine ich, dass Menschen die ihn vermeintlich gefunden haben, oft nicht damit rechnen, dass er mehr ist als ein totes Bild vorm Altar. Auf die Schnelle geantwortet.

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  3. Kann man jeden Nicht-Kirchengänger oder Wenig-Kirchengänger unter den Gemeindegliedern als Atheisten bezeichnen? Die Leute sind doch irgendwie solidarisch dabei. Deren Kirchensteueraufkommen ist wahrscheinlich in der Gesamtheit viel größer als das Kirchensteueraufkommen der sogenannten Kerngemeinde. Ist das zu pragmatisch, zu materiell gedacht, was ich hier schreibe? Ich bin auch Mitglied bei den Sozialdemokraten, ich bin Mitglied bei der Gewerkschaft ver.di. Bei deren Versammlungen sieht man mich auch eher selten. Aber ich zahle die Beiträge und stehe solidarisch hinter den Idealen dieser Gruppierungen. Da bin ich ja auch eher ein passives Mitglied. So ist es ja bei den Nicht-Kirchengängern oder Wenig-Kirchengängern auch. Deswegen kann man die doch nicht per se eines praktischen Atheismus bezichtigen. Ein Freund von mir war vor Jahren, bei seiner Silbernen Konfirmation in der Kirche. Aber er zahlt ca. 900 Euro Kirchensteuer pro Jahr. Ein echter Atheist würde doch nie so einfach mir nix, die nix, so sein Geld „sinnlos“ verplembern. Ich vertraue auf den barmherzigen und liebenden Gott, der wird für dieses passive Fördermitglied unserer evangelisch-lutherischen Kirche im Jenseits sicher auch noch ein gemütliches Plätzchen in seinem Reich bereit halten.

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    1. Lieber Herr Koch, entweder haben Sie nicht richtig gelesen, oder ich mich unklar ausgedrückt oder beides. Es geht mir nicht um die Frage, wie viel oder wenig Menschen in die Kirche gehen. Sondern eher darum, dass ich erstaunt feststelle, dass auch Menschen, die sich selbst durchaus als gläubig/christlich einstufen, häufig so leben und argumentieren, als gäbe es Gott nicht und sie müssten sich nur auf sich selbst verlassen. Mit praktischem Atheismus meine ich einen Glauben, der zwar von der Existenz Gottes irgendwie ausgeht, aber es hat keine Konsequenz für das eigene Leben und die Beurteilung des Lebens anderer.
      Viele Grüße ins innerlich schon recht ferne St. Lukas!
      Ihre Christiane Müller

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      1. Doch ich habe schon richtig gelesen und auch richtig verstanden. Aber ich habe halt den Gedanken einfach noch einmal weitergedacht. Aber ich kann im Alltagsleben nicht immerzu mein Verhalten in Bezug auf meinen Glauben in selbstkritischer Reflexion bedenken. Wie oft wünsche ich irgendwelchen Leuten, mit denen ich zu tun habe, ganz unchristlich die Pest an den Hals. In wüsten Phantasien denke ich mir garstige und ganz und gar unchristliche Szenarien aus, wie ich irgendwelchen Leuten, die mich ärgern, oder über die ich mich ärgere irgendwie ans Bein pinkeln kann. Ich sündige in Gedanken, Worten, vor den tatkräftigen Werken bremse ich mich meistens. Da funktioniert die Kontrolle. Aber irgendwie scheint es doch so, dass man sich beim Sündigsein in Gedanken, Worten und Werken seine gedrückte Seele irgendwie befreit. Und man lässt dabei den lieben Gott einen guten Mann sein. Ist das schon praktischer Atheismus. Jesus hat ja mitunter auch seinen ganz und gar unchristlichen Emotionen freien Lauf gelassen. Der böse Dornbusch, die nervige Frau am Brunnen …. Wegen solch unchristlicher Anwandlungen im stressigen Alltag heutzutage ist man doch nicht gleich ein praktischer Atheist. das wäre ja schlimm, wenn es so wäre. Das unfertige Christsein, das lässt so manche Christen erst irgendwie menschlich erscheinen. Es wäre doch schlimm, wenn wir nur noch von lauter Mutter Theresas und Franzens von Assissi umgeben werden.

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