Ein paar lose Gedanken zu Epistel und Evangelium des Sonntags
Lukas 1, 1-4.14-21 und 1. Korinther 12, 12-31a
Das „Sonntagsthema“ heute ist der Heilige Geist. Wie er bei JEsus gewirkt und später in den ersten christlichen Gemeinden. Jesus nimmt Bezug auf eine Verheißung des Propheten Jesaja: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“
Ein Gnadenjahr, ein Erlassjahr, eine Gnadenzeit. Zu Alttestamentlichen Zeiten gab es festgesetzte Zeiten – alle 7 Jahre und alle 50 Jahre – in diesen Jahren war es üblich, zum einen Schuldner zu ent-schulden, ihnen die Schulden zu erlassen und zum anderen Sklaven freizulassen, die sich selbst oder ihre Familien in die Schuldsklaverei verkauft hatten. Jesus verkündet eine solche Gnadenzeit, aber sehr viel universeller. Es geht nicht nur um die Schuldknechtschaft, sondern um die Befreiung von allen Zwängen, aller Unterdrückung und um ein Ende von äußerer und innerer Gefangenschaft und Verblendung. Der Apostel Paulus schreibt ein paar Jahrzehnte später: Wo der Geist des HErrn ist, da ist Freiheit!
Im 1. Korintherbrief wird präzisiert, wie sich der Heilige Geist bei denen auswirkt, die an Jesus glauben. Dass er sie zu einer Gemeinschaft zusammenfügt, in denen jeder und jede seine und ihre Gabe und Aufgabe hat, so wie die unterschiedlichen Glieder eines Leibes erst den ganzen Leib ergeben. Der Leib ist dabei Sinnbild für die christliche Gemeinde. Spätere Ausleger schreiben: Die Kirche ist der Leib, Christus ist das Haupt.
Für mich stecken da ganz viele Impulse, Fragen und Anfragen an kirchliche Praxis drin.
- Wo leben und praktiziert christliche Kirchen/Gemeinschaften/Gemeinden… die Freiheit? Können wir in unseren Gemeinden als Einzelne und als Gemeinschaft Freiheit lernen? Freiheit in Gedanken und Rede? Freiheit anders zu sein als der Mainstream? Freiheit in Verantwortung vor der Freiheit des jeweils anderen?
- Wo wird Menschen unter dem Vorwand einer „guten Botschaft“ eher ein Joch auferlegt, als dass sie in Freiheit versetzt werden?
- Kirche/Gemeinde als Leib mit vielen Gliedern – alle sind gleich wichtig, gleichwertvoll, aber nicht gleichartig. Vielmehr funktioniert ein Leib erst dadurch, seine einzelnen Glieder unterschiedlich sind und unterschiedlich arbeiten. Ich erlebe Gemeinden (quer durch alle Konfessionen) oft eher als eine Gemeinschaft der „Gleichartigen“.
- Was für einzelne Gemeinden gilt, müsste eigentlich auch für die Kirche als ganze gelten, und zwar für die im wörtlichen Sinne katholische Kirche. Katholisch bedeutet nicht römisch-katholisch und nicht alt-katholisch, sondern im Wortsinne allumfassend. Dazu gehören alle, die durch ihren Glauben mit Christus verbunden sind. „Christus ist das Haupt“- leider gibt es immer noch kirchliche Gemeinschaften, die für sich beanspruchen, die eigentliche Kirche zu sein. Das ist schade. Dasselbe gilt natürlich auch dann, wenn eine christliche Gemeinschaft beansprucht, mehr „Wahrheit“ zu haben als alle anderen.
- Über die Kirche hinaus gedacht: Geht es heute nicht auch darum die gesamte Menschheitsfamilie als einen Leib mit vielen Gliedern zu begreifen?
Das waren Gedanken zu den Sonntagstexten. Weil man es als Theologin halt nicht lassen kann.
An diesem Wochenende habe ich den Kontrast sehr stark gespürt zwischen der zitierten Stelle aus dem Korintherbrief und den Konflikten zwischen den evangelikaleren Evangelikalen und den nach deren Meinung weniger evangelikalen Evangelikalen innerhalb der evangelischen Kirche.
Die Unterschiede innerhalb der Urgemeinden in Rom oder Korinth waren meiner Meinung nach wesenlich gravierender als die, die wir heute zwischen den gängigen Konfessionen haben. Insofern können wir uns Paulus‘ Gedanken aus dem Korinterbrief dazu durchaus aktuell anziehen.
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