Beerdigung „gott-los“ – Teil 2

Heute Vormittag klingelte das Telefon. Ein Bestattungsinstitut aus der Gegend von Sonneberg fragte an, ob ich am übernächsten Samstag eine Beerdigung übernehmen könnte. Es ist im noch jungen Monat Februar die dritte. Und alle drei Anfragen kommen aus dem nahen Thüringen, wo aufgrund der geschichtlichen Entwicklungen die Kirchenbindung nicht besonders groß ist und die Leute eben nicht auf die Dienste des „Pfarrers des Vertrauens“ zurückgreifen, sondern auf freie Redner/freie Theologen.

Ich erlebe nun alles im Umfeld von Trauer, Tod und Sterben ganz neu.

Nun ist es ja nicht so, dass ich mich erstmals damit auseinandersetze. Es ist auch nicht so, dass alle Angehörigen, mit denen ich es in meiner kirchlichen Zeit zu tun hatte, tief gläubig im Sinne von christlich gläubig gewesen wären.

Aber: Wenn die Angehörigen Mitglieder einer Kirche waren, und das war doch ein Großteil, dann gab es doch so eine Art Minimalkonsens,  was die Gestaltung einer christlichen Trauerfeier betrifft. Zum Beispiel: Am Grab betet man das Vaterunser. Gelesen wird die Verheißung vom neuen Himmel und der neuen Erde aus Offenbarung 21. Und ich entlasse die Angehörigen mit dem Segen. Ich habe erlebt, dass diese Rituale tragen. Und zwar auch dann, wenn jemand sich nur sehr selten im Gottesdienst blicken lässt.

Derzeit kommt mir das was ich tue vor, wie das Rad neu erfinden. Ich lerne ganz neu Worte zu finden. Und ich lerne, das was mir an christlicher Glaubenshoffnung wichtig ist, anders zu sagen. So, dass es möglichst auch Menschen verstehen, die nicht in der Kirche sind, die mit Glauben gar nichts anfangen können. Die aber doch die Fragen nach dem Sinn stellen, die sich natürlich auch eine Hoffnung über den Tod hinaus wünschen, die auch Symbole und Rituale brauchen zum Abschiednehmen.

Ich entdecke vieles ganz neu. Ich übersetze. Und schätze neu mein Theologiestudium und meine 12 Jahre Erfahrung als Pfarrerin. Weil ich zwar natürlich nicht alles Eins zu Eins übernehmen kann. Aber doch auf vieles zurückgreifen kann, was zu den Kernkompetenzen des Pfarrerberufs gehört.

Ich glaube, dass es auf Dauer auch das sein wird, was die Leute überzeugen wird mich als Trauerrednerin zu wählen und nicht jemanden, der eine Ausbildung zum Trauerredner irgendwo in einem Wochenendkurs gemacht hat und in seinen Ansprachen auf einen Fundus von 15 oder 20 Symbol-Ansprachen aus irgendeinem Buch zurückgreift oder sich sein Zeug aus dem Internet zieht.

Neulich fragte jemand, wie ich das denn nun mit MEINEM Glauben vereinbare. Eigentlich ganz einfach. Das Bestatten der Toten gehört von jeher zu den „sieben Werken der Barmherzigkeit“ aus Matthäus 25. Welcher Konfession die Toten angehören, steht da allerdings nicht drin. Und: Wenn ich meinen Glauben ernst nehme, dann gibt es EINEN Gott, von dem in der Bibel steht, dass er will, dass allen Menschen geholfen wird. Und dass wir wenn wir vor dem Richterstuhl Christi stehen nicht danach be- oder verurteilt werden, ob wir in diesem Leben die richtige Glaubenszugehörigkeit hatten. Sondern danach, wie wir mit unserem Mitmenschen umgegangen sind.

Ich glaube an Jesus Christus.

Ich glaube aber auch, dass Jesus Christus bei sehr, sehr vielen Menschen auf verborgene Weise wirkt, die Ihn dem Namen nach gar nicht kennen. Und nicht zuletzt: Dadurch das ich die Trauernden begleite und die Ansprachen für die Verstorbenen schreibe, steht ja auch „die Kirche“ am Grab. Nur nicht als Institution oder Amtsperson. Sondern als einfacher Christenmensch, der die Angehörigen eben so gut es geht begleitet und Trost und Hoffnung zuspricht, soweit das möglich ist.

Und natürlich bete ich dann zu Hause auch für die Verstorbenen. Ist doch klar. Ich tue es halt, wenn die Angehörigen damit nichts anfangen können, nur nicht am offenen Grab.

3 Kommentare zu „Beerdigung „gott-los“ – Teil 2

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