Nun werden sicher wieder etliche Menschen denken (oder kommentieren): Der gelebte Glaube hat ja nichts mit dem Tragen von Schmuck zu tun, ich finde Kreuzkettchen sowieso doof, ich bin Christ und trage kein Kreuzkettchen, wo kämen wir da hin, wenn jeder so offensiv seinen Glauben nach außen vertreten würden, die Gefühle von Atheisten oder Andersgläubigen werden durch das Tragen von Kreuzkettchen oder religiösem Schmuck verletzt, und so weiter und so weiter.
Nein, das Tragen eines Kreuzkettchen gehört nicht nur den Geboten des christlichen Glaubens, ja man kann auch ohne Kreuzkettchen Christ sein. Darum geht es auch gar nicht, sondern es geht darum, dass Arbeitgeber hier etwas untersagen wollen, was für sehr viele Menschen schlicht und einfach ein äußerer Ausdruck ihres Glaubens ist.
Es geht hier nicht darum, dass Christen unchristliche Arbeitszeiten verweigern. Auch nicht darum, dass Christen für sich verlangen, sich in Abständen von ihrem Arbeitsplatz zurückzuziehen, um Gebete zu verrichten. Auch nicht darum, dass Christen, die an der Kasse sitzen, Kunden mit missionarischen Reden verärgern oder vertreiben. Sondern schlicht und einfach um das Tragen eines Schmuckstücks, das die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft ausdrückt. Genauer gesagt zu der Glaubensgemeinschaft, die Werte und Weltanschauung auf unserem Kontinent Jahrtausende lang geprägt hat. Um Gefühle anderer nicht zu verletzten.
Und da hakt es bei mir irgendwie aus. Was sind das denn für Gefühle, die da angeblich verletzt werden? Und was für eine Art „Toleranz“ soll denn damit ausgedrückt werden, dass man verbietet, ein Kettchen mit Kreuz zu tragen? Man hört in letzter Zeit öfter das Wort Islamophobie. So allmählich frage ich mich, ob wir es mittlerweile auch schon mit Christianophobie zu tun haben, oder allgemein mit einer völligen Unfähigkeit, religiöse Symbole, sei es der eigenen oder fremder Kulturkreise zu verstehen und zu tolerieren?
Ich finde das schwach, sehr schwach. Da ich Gott sei Dank freiberuflich arbeite und mir kein Arbeitgeber vorschreiben kann, was ich um meinen Hals hänge oder wie ich mich kleide, trage ich oft Kreuzkettchen. Nicht weil mich das zu einem besseren Menschen macht, sondern weil ich nicht will, dass dieses Grundsymbol des christlichen Glaubens aus dem Bewusstsein oder dem Straßenbild verschwindet. Wer sich dran stört, der soll eben wegschauen.
Das Tau-Kreuz wird von der Mehrheit wohl kaum als Symbol des Christentums erkannt.
Aber die Unternehmen schreiben mittlerweile sehr viel vor, wo es einfach nur Toleranz und Respekt bräuchte …
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normal trag ich auch nicht das Tau, sondern ein normales Kreuz…und die Tendenz, die du beschreibst, finde ich schlimm.
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Ich glaube sowieso, dass ich für den normalen Arbeitsmarkt nicht geeignet wäre. Weil ich einen tiefen Widerwillen in mir spüre, für den Verdienst anderer Menschen zu arbeiten, mir dabei Vorschriften machen zu lassen, zu buckeln und mich zu verbiegen. Ich muss entweder freiberuflich arbeiten. Oder irgendeine echt stupige Depperle-Arbeit machen, wo ich halt vor mich hin arbeite, ohne dass jemand mir groß rein redet. Alles andere ist nichts für mich.
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So ähnlich geht es mir auch. Nur würde ich gerne ohne Druck und mit wenigen finanziellen Sorgen arbeiten (BGE wäre dazu wirklich toll).
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Das ist der nächste Schritt. Erst werden Kopftücher verboten, dann Kreuze und irgendwann muss alles Religiöse aus der Öffentlichkeit verschwinden.
Diejenigen, die beim Verbot von Kopftüchern noch betont haben, dies sei ein christliches Land, werden sich noch wundern, wie wenig christlich es hier wirklich ist.
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seh ich genauso
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Nuja. Ich würd’s auch nicht machen und find’s sehr ungeschickt von Müller.
Aber die hier unterstellte Begründung ist auch nicht die wahrscheinliche, würd ich sagen. Ich kenne keine Atheistin, deren Gefühle von religiösen Symbolen verletzt werden, auch wenn’s die geben mag, aber plausibel ist doch eher was anderes.
Man will als Unternehmen neutral sein. Das finde ich sinnvoll und sogar irgendwie sympathisch. Man will nicht, dass die Mitarbeiter CDU- oder FDP- oder “Ausländer raus“- oder “ACAB“-Buttons tragen, und dann verbietet man halt alle weltanschaulichen Bekundungen und versucht, dabei konsequent zu sein. Wie gesagt, mir wär’s den Ärger nicht wert, aber ich finde es vertretbar.
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Es lohnt sich, den ganzen Artikel zu lesen. Wir werden in Zukunft häufiger mit solchen Themen zu tun haben. Dass Arbeitgeber bestimmte Vorschriften hinsichtlich Kleidung und Erscheinungsbild machen, z. B. Krawattenpflicht in der Bank, kein Bart bei Disney, ist ein alter Hut und innerhalb bestimmter Grenzen auch erlaubt.
Relativ neu ist die Variante mit religiösen Symbolen, meistens ausgelöst durch Kopftücher. Auch dabei geht es immer um eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Arbeitgeber an einem neutralen Auftritt seiner Angestellten und der Religionsfreiheit der Angestellten. Wenn man religiöse Symbole verbieten will, dann erscheint es mir nur logisch, dass man alle Religionen gleich behandelt, alles andere wäre ungerecht.
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In meinem letzten Blog-Beitrag habe ich das mit dem Kreuz-Verbot ebenfalls erwähnt.
Du kannst gerne mal auf meinem Blog lesen.
http://www.ilonaanderegg.de/blog
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Ich versteh ja, daß man unter Umständen keine ACAB etc Anstecker will, aber gibt es nicht nen Unterschied zwischen Religion und Politik? Der Übergang mag fließend sein und im Einzelfall schwer auseinander zu klamüsern, aber die religiöse (Nicht-)Überzeugung gehört doch stärker zum Menschen als seine politischen Präferenzen? Oder irre ich mich da?
Es ist ne andere Sache, wenn jetzt jemand bei der Arbeit anfängt zu missionieren. Gut, Kreuzkettchen sind jetzt in keiner mir bekannten Konfession eine zwingende Forderung an die Gläubigen…
Ich finde es auch absoluten Unfug zu behaupten, das Fehlen eines Symbols drücke Neutralität aus. Das drückt aus meiner Sicht eher eine antireligiöse Grundhaltung aus. Unter Neutralität verstehe ich, daß der Arbeitgeber weder Kopftuch noch Krezkettchen noch Nudelsieb noch nichts vorschreibt, sondern solche Details offen lässt, so lange nicht der Betriebsablauf gestört wird (Hygiene etc).
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Beim einen so, beim andern so, wie das halt ist. Aber sogar wenn du recht hättest, wäre das vielleicht noch umso mehr Grund für ein Unternehmen, insgesamt weltanschaulich neutral aufzutreten.
Absoluten Unfug sogar, uiui. Was drückt denn dann Neutralität aus, wenn nicht die Abwesenheit einer parteiischen Äußerung? Na gut, man könnte neutrale Buttons haben. Meine Freundin hat von ihrem Vater so einen „Button für Lehrer“, auf dem nichts weiter steht. Das geht natürlich auch.
Dann ist für dich jede Blümchenwiese und jeder Quadratmeter Ozeanoberfläche ein antireligiöses Statement? Man fragt sich spontan, was das über die Person aussagt, die das alles gemacht hat…
Nun sind die Arbeitnehmer aber doch Repräsentanten des Unternehmens. Wie gesagt: Ich kann als Arbeitgeber meinen Leuten nicht vorschreiben, was sie zum Umgang mit Flüchtlingen denken, zu Rassismus, oder zu Religion. Aber ich kann die Entscheidung treffen (oder sollte sie treffen können, finde ich…), dass ich will, dass sie das nach außen für sich behalten, solange sie für mich tätig sind.
Wie gesagt, natürlich ist das eine Abwägungssache, und ich hätte das Verbot so auch nicht verhängt, aber ich finds (je nach Begründung natürlich, Müller verrät ja nichts, soweit ich erkennen kann) schon potentiell schlüssig.
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Ja, bin im Moment bißchen gereizt wegen ner anderen Sache, sorry.
Die Neutralität des Unternehmens drückt aus, daß alle religiösen Kleidungsstücke zugelassen werden (Kettchen, Kopftücher, Nudelsiebe). Die Neutralität des einzelnen Angestellten wär eh Etikettenschwindel, denn jeder Mensch hat irgend eine Haltung zu Religion.
Weder Blümchenwiesen noch Ozeanoberflächen sind religiöse Subjekte, so wie Du und ich, und das weißt Du auch. Es ist doch so: Eine Art der Kleidung wurde als „neutral“ definiert, von wem auch immer. Und alle Abweichungen werden sanktioniert wegen Abweichen von der Norm. Ich stelle in Frage, mit welchem Recht die Norm so festgelegt wurde. Ich befürchte nur, daß andere Menschen Schwierigkeiten haben, mir da zu folgen. Dabei ist es doch nicht so, als wären religionslose Menschen irgendwie defizitär. Wenn sie aber nicht defizitär sind, dann sind sie so wie sie sind, „vollständig“. Und auf deren äußeres Erscheinungsbild sollen nun alle anderen festgelegt werden, und das nennt man dann Neutralität? Ich frage nochmal: Was ist daran neutral, sich so kleiden zu müssen, wie Angehörige einer Gruppe, der man nicht angehört?
Freilich kann der Arbeitgeber sagen: Mir egal, ich will nicht daß ihr neutral seid, ich will, daß ihr die und die Position vertretet. Aber dann soll der Arbeitgeber das auch so äußern.
Du verlangst also von Deinen Arbeitnehmern, für die Dauer der Arbeit zu Atheisten zu werden (wenn sie ihre religiöse Existenz qua Assimilation an corporate identity anpassen sollen). Ich bin mir nicht sicher, wie ich das finden soll, oder wie das juristisch bewertet würde. Das würde für bestimmte Menschen (die ihre Religion nur mit Kopftuch oder mit Kettchen leben können) einem Berufsverbot gleichkommen. Ich vermute, die corporate identity ist da ein zu schwacher Grund, hygienische oder Sicherheitsgründe (Gefahr in Maschinen hängen zu bleiben) würden da wahrscheinlich schwerer wiegen.
Fakt ist doch, daß es Menschen mit Religion in der Gesellschaft gibt. Fakt ist auch, daß Religion nichts ist, was man zu nur Hause praktiziert, sondern was in der Öffentlichkeit vorkommt. Wieso sollte das an der Unternehmenstür plötzlich enden?
Noch ne Anmerkung: Heut hab ich irgendwo gelesen, daß irgendwer beim EuGH meinte, Kopftuchverbot sei nicht zulässig. Mal sehen ob da noch was kommt.
Mir ist der Fall Müller eigentlich ziemlich wumpe. Ich trag kein Kreuzkettchen, mich betrifft es nicht. Aber ich finde diese Richtung, alles religiöse aus der Öffentlichkeit verbannen zu wollen falsch. Denn Religion ist öffentlich, wird öffentlich gelebt. Wenn wir unsere Energie darein stecken, alles möglichst unsichtbar zu machen, werden wir da viel Energie verschwenden und viel Konfliktpotential aufbauen. Viel lieber möchte ich in einer Gesellschaft leben, in der jeder die religiösen Symbole trägt, die ihm entsprechen, ohne daß andere daran einen Anstoß nehmen. Denn mal im Ernst: Inwieweit wirft ein Kreuzkettchen, ein Nudelsieb oder ein Kopftuch ein schlechtes Licht auf einen Arbeitgeber? Und vor allem: Welche Personen sehen das so?
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Und ich glaube, da reden wir aneinander vorbei. Sicher hat die jeder. Sogar jedes Unternehmen hat die, wie Organisationen sowas eben haben. Und jede Richterin hat eine emotionale Reaktion auf den Körperbau des oder der Angeklagten. Aber man kann es mit guten Argumenten für wünschenswert halten, dass sie das für sich behalten und möglichst wenig in ihr Auftreten gegenüber denen, für die sie ihre Leistung erbringen, einfließen lassen. Wenn Polizisten, die privat Republikaner wählen, von ihrem Dienstherren die Vorgabe bekommen, keine Ausländer-Raus-Buttons zu tragen, ist das ja auch kein Etikettenschwindel, sondern der sehr angemessene Wunsch, dass sie als Repräsentanten einer Organisation keine Äußerungen tätigen, die die Organisation sich nicht zu eigen machen will. Findest du das wirklich so abwegig? Also, jeder darf schlechte Laune haben, hab ich auch manchmal, aber von der Sache her…?
Ach weißt du, lassen wirs doch einfach. Ich will dich nicht in ein Gespräch nörgeln, auf das du offensichtlich keine Lust hast. Verzeih, dass ich dich noch weiter belastet habe, und erhol dich gut von was auch immer dich sonst so reizt.
Alles Gute!
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Ich glaub, wir reden echt aneinander vorbei. „Ausländer raus“ ist ne klare politische Aussage. Was aber ist die Aussage eines Kreuzkettchens, außer: Ich bin ein Kreuzkettchen? Bei nem Anstecker a la „Jesus liebt Dich“ oder „WWJD“ wär ich bei Dir. Aber was macht sich die Organisation bei nem Kopftuch zu eigen als: Bei uns arbeiten auch Leute, die muslimischen Glaubens sind? Muslimischer ()oder jeder andere) Glaube ist ja nichts negatives.
Hab ich jetzt erst gelesen. Danke. Ich laß das oben mal stehen, weil jetzt hab ich’s getippt.
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Neutralität kann sich genau wie auf Religionen auch auf Parteizugehörigkeiten oder Fußballvereine beziehen, ohne dass damit Politikfeindlichkeit oder Desinteresse an Fußball verbunden sein muss. Solche Vorschriften unterliegen, wie gesagt, immer einer Interessenabwägung.
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Stimm ich zu, hab ich vielleicht mißverständlich ausgedrückt, sorry. Mir geht es wie in Antwort auf Muriel geschrieben um die Richtung, die hier eingeschlagen wird. Wir alle wissen, daß es christliche Angestellte bei Müller gibt, wieso sollte man das nicht sehen können? Wer nimmt da Anstoß dran, und mit welchem Grund? Gleiches gilt analog für alle anderen Religionen und Nichtreligionen.
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Leute, es geht ganz einfach um Geld. Der Herr Müller hat Angst, dass irgendjemand dann nicht mehr zum kaufen kommt. Wenn er mit Religion Kunden akquirieren könnte, ohne andere eventuell zu vergraulen, würde er selber mit Kopftuch und Kettchen die Namen aller Götter tanzen.
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Das allerdings glaube ich auch!
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