Im Zuge meiner Neuorientierung frage ich mich immer öfter: Was ist eigentlich ein „guter“ Job? Ich habe mir diverse Möglichkeiten angeschaut. Da wäre zum Beispiel die Möglichkeit, sich bei einer großen privaten (Kranken)Versicherung „on the Job“ als Quereinsteiger zur Versicherungskauffrau fortbilden zu lassen. Klingt erst mal gut. Auch von der Bezahlung her. Recherchen im Internet ergeben: Es besteht ein enormer Druck „von oben“, unbedingt Versicherungen zu verkaufen. Die Kandidaten werden angehalten, selbst eine private Krankenversicherung bei dem Anbieter abzuschließen und auch die eigene Familie, Freunde, das persönliche Umfeld damit zu beglücken. Dafür gibt’s Provisionen. Wer unter gewissen Verkaufszahlen bleibt, erlebt Sanktionen von Oben. Letztlich geht´s ums Geschäft. Verkaufen von Leistungen. Die mit Sicherheit mehr oder weniger sinnvoll sind. Letzten Endes wird aber der Verkauf honoriert, und nicht, dem Kunden bestmöglich geholfen zu haben.
Anderes hätte mir schon eher gelegen: Deutschkurse für Flüchtlinge zum Beispiel. Etwas, das ich gern gemacht und mir auch zugetraut hätte und wonach ja auch überall laut gerufen wird. Recherchen ergeben: Was offenbar jeder ehrenamtlich (also für lau) tun „darf“, dafür braucht man, wenn man damit etwas verdienen will, ein Studium „Deutsch als Fremdsprache“ sowie diverse Zusatzqualifikationen. Das finde ich etwas seltsam.
Überhaupt braucht man in Deutschland offenbar für alles und jedes eine total passgenaue Ausbildung. Es gab etliche Stellen, ausgeschrieben für Sozialpädagogen, die mich sehr gereizt hätten. Aber 12 Jahre Erfahrungen im Pfarramt reichen offenbar nicht, um nachmittags Jugendliche betreuen zu dürfen oder mit Demenzkranken zu basteln und Lieder zu singen…So finde ich mich in der Situation wieder, als hoch qualifizierte Frau Abschlüsse zu machen, die wesentlich weniger Qualifikation erfordern, als die, die ich habe, um überhaupt irgendwo im sozialen Bereich arbeiten zu dürfen. Deutschland ist schon irgendwie eigenartig.
Aber zurück zu der Frage: Was ist eigentlich ein guter Job? Für mich ist ein guter Job einer, von dem ich leben kann (oder der als verlässliches zweites Standbein neben der Freiberuflichkeit zum Lebensunterhalt beiträgt). Außerdem ist ein guter Job einer, in dem ich Qualifikationen einbringen kann, die ich mit 43 Jahren eben schon habe (auch wenn ich pro Forma irgendwelche zusätzlichen Scheine machen muss).
Im Grunde kann ich mir für mich nur zwei Arten von Arbeit vorstellen.
Erstens: Irgendwelche „Dödel-Jobs“, bei denen man halt einfach etwas Stupides vor sich hin arbeitet, bei dem man die Gedanken schweifen lassen kann. Ich habe z.B. im Studium mal ein paar Wochen lang Kleidung zusammengelegt, damit sie verpackt und versandt werden kann. Dabei lief nebenher immer Radio, man schwätzte mit Kollegen und verdiente gar nicht schlecht.
Zweitens: Etwas, womit ich mich wirklich voll und ganz identifizieren kann.
Ich hätte lieber die zweite Art, auch wenn die Bezahlung dabei nicht exorbitant wäre …
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Ja, diese Überlegungen zum Job-Finden in Deutschland, die sind mir sehr vertraut.
Im Sozialbereich, wie du schreibst, ist die passende Ausbildung wichtig, obwohl es natürlich wunderbare Jobs in der Flüchtlingshilfe gibt, die nehmen da auch gerne Ungelernte. Die könnense natürlich nicht nach Tarif bezahlen. Man muss ja dankbar sein, dass man diese Chance bekommt. Der Job besteht dann z.B. aus Lageraufsicht + Instandhaltungsarbeiten + Dolmetschertätigkeiten (Fremdsprachenkenntnisse SEHR von Vorteil) + Ämterbegleitung + Betreuung von Schwersttraumatisierten + Leitung vonGruppensitzungen + Streitschlichten + Tagestrukturierende Maßnahmen – das alles in Wechselschichtdienst.
ich könnte inserieren, Beratungen und Zeugs über meine Blogs anbieten, mich bei schönem Wetter mit dem Bollerwagen in der Stadt gemütlich hinsetzen, Seminare anbieten –
Ideen hab ich reichlich.
Und wenn ich das täte, müsste ich damit rechnen, dass ich richtig Ärger bekomme, weil ich irnzwelche Auflagen nicht erfülle und irnzwelche Genehmigungen nicht habe. Als Selbstständige brauche ich ein Geschäftskonto und die Krankenversicherung wird doppelt so teuer. So wie ich jetzt lebe, könnte ich viel mehr machen. Wenn ich das machen würde, würden meine Lebenserhaltungskosten sofort so hoch, dsas ichs nicht machen kann.
Ahja, ich kann wieder zur Arge. Weil ich so ein arbeitscheues Gesocks bin.
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Es ist schon verrückt, dass dein ganzes anspruchsvolles Theologiestudium mit allen Examina und deine langjährige Berufserfahrung nur noch für den Papierkorb taugt.
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Ja, und je länger ich drüber nachdenke, desto mehr ärgere ich mich über ein kirchliches System, bei dem es, beruflich, nur ein Drinnen und ein Draußen für Theologen gibt. Entweder man ist verbeamtet oder man ist raus. Es ist nicht möglich, zwischendurch etwas anderes zu machen. Ich hätte mir ja durchaus vorstellen können, irgendwann wieder anzufangen. Geht aber nicht, wegen diesem scheiß Beamtentum. Da liegt der eigentliche Fehler….aber gut. Offenbar ernährt dieses System viele so gut, dass man sich darüber einfach keine weiteren Gedanken macht.
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