Bekenntnisse einer Unsportlichen

Ich bin unsportlich. Ich war es schon immer. Wie wird man unsportlich? Indem man zu dick ist, um Sport zu treiben? Mitnichten. Ich war als Kind und lange Zeit als Erwachsene durchaus nicht dick, sondern im Bereich des Normal-, bzw. sogar Idealgewichts. Unsportlich war ich trotzdem. Und die Art, wie in der Schule Sport unterrichtet wurde, trug mitnichten dazu bei, in irgendeiner Form Freude an Bewegung zu fördern. Meine These ist, dass Unsportliche gerade durch den Schulsport noch unsportlicher werden, weil sie durch die ständigen Demütigungen und das Vorgeführt werden bei Bundesjugendspielen und ähnlichem Scheiß beginnen, Sport zu hassen. Die Freude an der Bewegung geht völlig verloren, wenn man als sportlicher wenig begabter Schüler Woche für Woche 90 Minuten lang der Fleischbeschau im Sportunterricht ausgesetzt wird. Damals wurden Jungs und Mädchen zum Glück noch wenigstens getrennt unterrichtet. Ich mag mir nicht ausdenken, wie es für unsportliche Kinder und Jugendliche heute ist, wenn man nicht nur vom eigenen Geschlecht, sondern auch noch vom anderen beobachtet wird.

Freude an Bewegung war mir, dank Schulsport, erst mal für Jahre und Jahrzehnte gründlich vermiest. Allerdings bin ich immer gern gewandert. Bewegung in der Natur ohne den Druck, sich vor anderen profilieren zu müssen, tat mir gut (hätte ich allerdings nie unter dem Begriff „Sport“ verortet).

Erst ganz allmählich entdecke ich, dass ich z.B. gern schwimme. Aber niemals mit dem Hintergedanken, schneller oder besser als andere schwimmen zu wollen, sondern weil die Bewegung im Wasser sich halt gut anfühlt. Irgendeiner Gruppe werde ich da allerdings nie beitreten. Bewegung in der Gruppe ist nicht meins. Ich will, wenn ich mich bewege, mein Ding machen, denn dann ist es egal, wie schnell oder fit andere sind. Ich kann mich auf mich konzentrieren.

Warum ich das alles schreibe? Vielleicht auch als Botschaft der Solidarität mit und für alle anderen, denen die Bewegungsfreude dank Schulsport versaut wurde oder versaut wird. Ich schätze, davon gibt es in jeder Klasse mindestens zwei oder drei Kinder und Jugendliche.

Und als Ermutigung an alle, es trotzdem mal zu versuchen – in aller Ruhe. Freude an Bewegung hat nichts, aber auch gar nichts mit dem zu tun, was ihr in der Schule früher als „Sport“ kennengelernt habt.

Mein momentanes Ziel ist es, in etwa einem Jahr in Coburg beim so genannten Vestelauf über 10 km mitzulaufen. Meine Helden und leuchtenden Vorbilder sind aber nicht die Läufer, die nach 30 oder 40 Minuten durch Ziel zischen. Sondern die Gruppe der „Finisher“, die es in 1 Stunde 40 Minuten geschafft haben. Denn schließlich geht es um Bewegungsfreude, und nicht um Wettbewerb.

4 Kommentare zu „Bekenntnisse einer Unsportlichen

  1. Ich muß ja ehrlich sagen, für mich wurde es besser, als wir in gemischte Gruppen kamen (ab Klasse 11) – da war ich dann zwar immer noch der letzte Junge, der gewählt wurde, aber dafür durften ein Mitschüler und ich dann mit den Mädchen Mannschaften bilden. Das kam zahlenmäßig gut hin und paßte auch einigermaßen. 😀
    Schulsport, wie wir ihn erlebt haben, halte ich allerdings immer noch für entbehrlich. Das war immer das Feld, wo die „Muskel statt Hirn“-Fraktion sich so richtig aufspielte, und seltsamerweise war Sport immer wichtiger als Mathe… ja sind wir denn in USA?

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  2. Das geht mir ganz genauso. In der Schule gab es fast nur Ballsportarten oder Leichtathletik – beides hasste ich. Jetzt habe ich auch das Laufen/Wandern und Schwimmen entdeckt. Meine sportlichen Highlights waren drei Teilnahmen am Engadiner Frauenlauf (Langlauf). Obwohl ich im Ziel bei den Letzten war, war das Glücksgefühl beim Zieleinlauf unbeschreiblich.

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  3. Ja, der Schulsport hat es mir auch jahrelang verleidet. Vor fünf oder so Jahren habe ich dann beinahe aus Versehen herausgefunden, dass ich gerne jogge … in einem guten Monat sind es hundert Kilometer, im Moment aufgrund von Zeitmangel und kleinerer Wehwehchen leider oft weniger. Aber hätte mir das einer vor zwanzig Jahren gesagt, hätte ich ihn verhauen. So viel verschwendete Zeit …

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  4. Also, ich muss hier mal etwas gegen den Strich bürsten. Meine Erinnerungen an den Schulsport sind überwiegend gut. Zur Spitzengruppe habe ich nicht gehört, aber ich war ordentliches Mittelfeld und hatte nichts auszustehen. Turnen war nicht so meins, aber im Nachhinein finde es gut, Auf-, Um- und Unterschwung am Reck gelernt zu haben und zu wissen, wir man ein Kletterseil rauf- und runterkommt. Ballspiele haben mir immer Spaß gemacht und Bundesjugendspiele hatten so etwas Olympisches, das ich immer sehr motivierend fand. In den Sportkursen in der Oberstufe habe ich u.a. etwas Delphinschwimmen und Hürdenlauf gelernt, außerdem viel Fußball- und etwas Volleyballtechnik, die ich immer noch ab und zu gebrauchen kann.

    Heute, im Zeitalter des Internets und der Bewegungsarmut, finde ich Sportunterricht wichtiger denn je. Die körperlich-kinästhetische Intelligenz sollte bei Kindern und Jugendlichen genauso gefördert werden wie die kognitive, die sprachliche, die soziale und all die anderen, die sich gegenseitig beeinflussen und im Leben gebraucht werden.

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