Reformationstag, Allerheiligen und Sehnsucht nach einer „doppelten Kirchenmitgliedschaft“

Gestern, am Reformationstag, war ich nach langer Zeit einmal wieder in einem evangelischen Gotteshaus – der Gottesdienst selbst war ökumenisch, es predigten der Erzbischof von Bamberg Ludwig Schick und die Regionalbischöfin des Kirchenkreises Bayreuth, Dorothea Greiner, über die „vier Soli“: Solus Christus, sola scriptura, sola gratia, sola fide. Die Basics des reformatorischen Glaubens – und seit 1999 und „Dominus Iesus“ offiziell nicht mehr kirchentrennend.

Neben mir saß mein krachkatholischer Partner. Ich habe mich gefreut, dass er dabei war. Das „Evangelische“ ist und bleibt ihm sehr fremd. Ich fühle mich als Gast in „seiner“ Kirche sehr viel wohler, als umgekehrt. Weshalb ich meistens mit ihm mitgehe. Und offiziell bin ich ja selber alt-katholisch, vor zwei Jahren im Frust konvertiert – aber irgendwie da auch nicht ganz angekommen.

Wir sangen die alten reformatorischen Schlager: Ein feste Burg ist unser Gott. Nun freut euch, liebe Christen g´mein. Es war ein schöner und gelungener Gottesdienst, und noch dazu rappelvoll.

Heute dann Allerheiligen. Mein Partner ist gestern schon in seine oberpfälzische Heimat aufgebrochen – bei ihm, in seiner Familie, seinem Ort, ist es einfach üblich, dass man an Allerheiligen nach Hause fährt, in die Messe geht, mit allen Angehörigen den Friedhof besucht und an den Gräbern der Verstorbenen betet. Eine Tradition, die ich auch schön finde, die aber wiederum mir etwas fremd ist. Stattdessen war ich heute in meiner katholischen Wahlgemeinde St. Augustin zum Allerheiligengottesdienst – und da fühlte ich mich nicht fremd.

Zufällig entdeckte ich unter den Feiernden einen meiner ehemaligen Kirchenvorsteher. Wir begrüßten uns, und er, ökumenisch recht bewandert, meinte: „Na, so einen Ablass kann man sich doch nicht entgehen lassen.“ Ich wusste nicht, was er meint. Er klärte mich auf: „Der Allerheiligen-Ablass. Ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis, ein Gottesdienstbesuch an Allerheiligen. Dafür gibt’s einen Ablass für die Seelen der Verwandten im Fegefeuer. Ist doch ein faires Angebot. Und wer weiß, ob Luther sich mit dem Fegefeuer nicht vertan hat.“

Da staunte selbst ich nicht schlecht.

Die Kirchen rücken einander näher. Wer, wie ich, erst etwas später zum Glauben gekommen und nicht von klein auf kirchlich sozialisiert ist, für den ist es oft schwierig, sich zu „entscheiden“. Ja, ich finde die evangelische Tradition toll – sie ist mir, die ich ja auch etliche Jahre Pfarrerin war, einfach sehr vertraut. Und zugleich war ich auch schon immer (jedenfalls solange ich Christin bin) im katholischen Raum unterwegs: Exerzitien, Messe, eine gewisse Liebe zu den Heiligen, das Bewusstsein dafür, dass Kirche mehr ist als eine Institution, eben das „Katholische“, Weltumspannende – all das hat mich eben auch geprägt.

Nun ein krachkatholischer Partner an meiner Seite…

Und nicht zum ersten Mal der Gedanke: Schade, dass es keine doppelte Kirchenmitgliedschaft gibt. So viele sehnen sich nach einer Einheit der Kirchen. Warum kann die eine Taufe, die wir alle bekennen, nicht zugleich die „Mitgliedschaft“ in allen kirchlichen Gemeinschaften begründen? Natürlich wird es immer Menschen geben, die in ihrer jeweiligen Tradition sehr fest  verwurzelt sind und nie auf die Idee kämen, auch irgendwo anders einen Gottesdienst zu besuchen. Die müssten das ja auch nicht tun.

Aber für Menschen wie mich und auch für viele andere wäre es toll, wenn einfach eine viel größere Flexibilität möglich wäre. Und wenn ich an Abendmahl und Kommunion nicht nur mit „schlechtem Gewissen“ teilnehmen dürfte. Wenn es so etwas wie eine doppelte Kirchenmitgliedschaft gäbe oder zumindest eine völlig selbstverständliche gegenseitige Gastfreundschaft.

Möge es bald soweit sein.

7 Kommentare zu „Reformationstag, Allerheiligen und Sehnsucht nach einer „doppelten Kirchenmitgliedschaft“

  1. Doppelte Kirchenmitgliedschaft halte ich für eine gute Idee. Mental habe ich die sowieso längst. Abendmahls- bzw. Eucharistiegemeinschaft ist gefühlt im Moment das Hauptproblem. Ich könnte natürlich katholisch werden und wäre dann bei beiden eingeladen, aber diesen Weg fände ich unfair ggü. meiner jetztigen evangelischen Kirche. Unsere Kirchensteuer wird sowieso geteilt, weil meine Frau katholisch ist. Was ich auch schon mal erwogen habe, ist die sukzessive doppelte Kirchenmitgliedschaft, also z. B. alle fünf Jahre die Kirche zu wechseln. Mal sehen, vielleicht mache ich das irgendwann noch.

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      1. Schon klar. Meine rk Schwiegermutter ist in Kenntnis dessen und trotz schwerer körperlichen Einschränkungen bei der Konfirmation unseres K2 mit zum Abendmahl gegangen, was gut war. Bei ihrer Beerdigung kurz darauf konnten wir umgekehrt die Hl. Kommunion nicht empfangen, was ich sehr bedauert habe. Und die Traueransprache meines Schwiegervaters (als junger Mann zum Katholizismus konvertiert), die sich in eine Wutrede gegen diverse Härten in der rk Kirche verwandelte, habe ich noch gut im Ohr. Beide waren als Laien sehr engagiert gewesen, im Kern sehr gläubig und von der Institution ziemlich enttäuscht und frustriert. Im Gemeindehaus hing die ganze Zeit der Pontifikate von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. prominent das Bild Johannes XXIII., durchaus als Protest und ich glaube, es hängt da immer noch.

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  2. Ich bin da an und für sich auch sehr offen. Der Weltgebetstag ist immer sehr schön – auch, weil katholische Frauen beteiligt sind. Der Bass-Senior der evangelischen Kantorei ist ein Katholik. Die gehören selbstverständlich dazu. Jetzt wäre es nur noch schön, wenn der katholische Pfarrer seine evangelische Kollegin vollwertig vertreten könnte und umgekehrt. Und ja auch, dass man miteinander Abendmahl feiern kann. Das wurmt mich, dass dem nicht so ist. Immerhin ist ein Kirchjubiläum eine ökumenische Veranstaltung. Wir haben da ein doppelchöriges Stück: Chor 1 evangelische Kantorei, Chor 11 katholischer Kirchenchor. Und eins, wo die Katholiken den 2. Sopran und den 2. Alt singen. Stücke, die nur gelingen, wenn alle gut zusammenarbeiten. Warum können das nicht unsere Kirchen?

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