„Die Nächte sind lang, aber die Jahre sind kurz“, hieß es neulich lakonisch in einem kleinen Filmchen, dass mir in die Facebook-Timeline gespült wurde. Es geht um die Grunderfahrung aller Mütter, bzw. aller Eltern: Es gibt mit kleinen und auch größeren Kindern Nächte, die kein Ende nehmen wollen: Schreien, Füttern, Windeln wechseln, herumtragen, später die Sorgen und Nöte von größeren Kindern hin und her wälzen, und irgendwann ziehen sie dann aus. Die Nächte waren lang, aber die Jahre vergingen im Flug.
Mit diesem Grundgefühl blicke ich auch auf 2018 zurück. Am 1. März kam unser Sohn Korbinian Johannes auf die Welt, per Kaiserschnitt, für mich war es nicht nur ein Kaiserschnitt, sondern zugleich eine Operation, bei der beide Eierstöcke, Gebärmutter, großes Bauchnetz und etliche Lymphknoten entfernt wurden – meine Totaloperation wegen Eierstockkrebs.
Und diese beiden Themen, mein Kind und der Kampf gegen die Krankheit, bzw. die Folgen von OP und Chemotherapie, bestimmten im Wesentlichen auch mein restliches Jahr.
Am 1. März wachte ich irgendwann auf der Intensivstation auf und wenige Stunden später kam mein Partner mit einem Bündel auf dem Arm herein. Aus dem Bündel lugte das winzige Gesichtchen meines schlafenden Babys hervor und ich konnte erstmal gar nichts sagen oder denken als: „Aha.“ Denn ich war einfach völlig fertig.
Verstehen, Freude, Liebe – das alles hat sich erst nach und nach eingestellt. Und so richtig erst, als Korbinian mich mit ungefähr drei Monaten erstmals angelächelt hat.
Ich fand es in diesem Jahr unglaublich, wie sehr das Leben auf das Wesentlichste reduziert werden kann, sobald man selber krank ist und ein kleines Kind hat. Wie dann wieder die Dinge in den Mittelpunkt rücken, die man doch vor lauter „Kultur“ schon längst aus dem Blick verloren hatte. Essen, Trinken, aufs Klo gehen können, Schlafen, Körperkontakt. Das waren für mich existentielle neue Erfahrungen. In meine Rolle als Mutter hinein finden, obwohl ich im Grunde selber kaum funktioniere. Es geht und ging mir oft an die Substanz. Eine Krebsdiagnose ist an sich schon ein Hammer. Schwangerschaft und Geburt auch. Und beides gleichzeitig haut einem irgendwie den Vogel raus – aber es geht und ich bin sehr froh, dass Korbinian da ist und dass er gesund ist.
Unser Kind entwickelt sich gefühlt rasant – andere würden sagen normal. Aber, wie oben zu lesen: Die Nächte waren und sind lang, ansonsten rast die Zeit und schon ist es kein Neugeborenes mehr, sondern mit nunmehr 10 Monaten ein kleiner Weltentdecker, der sich an Möbeln hoch zieht und mein CD-Fach verwüstet.
Am 2. September konnten wir Korbinians Taufe im Kreise vieler Freunde und Bekannter feiern, und es tat gut, da noch einmal zu sehen, wie viele mit gehofft und gebangt hatten, dass alles gut geht. Es war ein wunderschöner ökumenischer Gottesdienst und von unserer Seite auch ein Ausdruck großer Dankbarkeit, dass alles gut gelaufen ist.
Was den Krebs betrifft, muss ich alle 3 Monate zur Nachsorge und bekomme alle 3 Wochen per Infusion einen Antikörper, der hoffentlich verhindert, dass er neu ausbricht und ich hoffe und bete, dass die Sache damit erledigt ist.
Erledigt bin ich leider auch oft. Froh dass ich lebe, aber einfach ziemlich platt.
Und sonst so? Eigentlich war sonst nichts. Aber, um ehrlich zu sein, das genügte auch völlig.
Das alles klingt nun eher nachdenklich. Zum Glück können wir aber auch viel lachen. Zum Beispiel, wenn Korbinian in Windeseile durchs Wohnzimmer krabbelt und dabei immer „Brrrmmmmbrrrrrmmmmmbrrrrmmmm“ macht, wie ein kleines Auto. Keiner hat es ihm vorgemacht, irgendwann fing er einfach damit an.
Über saukomische Situationen. Einladung bei Freunden. Unser Kind mustert den gedeckten Tisch und macht dann erstaunt „Oh!“ Keine Ahnung, was er da entdeckt hat. Offenbar irgendwas, was er noch nicht kannte.
Der Windeleimer ist bei uns jetzt nur noch der Castor-Behälter. Und das Wickeln nennen wir die „Elternüberraschung“. Unser Kind ist sehr geschäftstüchtig. Es macht ein Geschäft nach dem anderen. Und wenn er sich nicht beruhigen lässt dann tanzen wir abwechselnd mit ihm auf dem Arm und erfinden dabei romantisch-sinnliche Lieder, die uns spontan einfallen. „Wir tanzen einen Walzer….eng umschlungen bei Kerzenschein….ich in einem rosa Ballkleid…..und du in einem kleinen Frack…..“ Das kam mir vorgestern total spontan und seitdem werde ich das Bild nicht mehr los.
Die Nächte sind sehr lang – und die Jahre kurz. Dieses ist jetzt schon wieder vorbei. Und in zwei Monaten feiern wir Korbis ersten Geburtstag.
Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch und ein gesegnetes Jahr 2019. Mit Besinnung aufs Wesentliche und zugleich Leichtigkeit und Lachen.