Aus meinen bisherigen Beiträgen könnte man zu Unrecht ableiten, dass ich während meines Studiums wohl eine ziemliche Eigenbrötlerin gewesen sein muss, die sich aufgrund ihrer mystischen Erfahrungen von allen unverstanden fühlte und von der Welt absondert. Dem war mitnichten so. Im Gegenteil, nie wieder hatte ich ein so dichtes soziales Netz und einen so weit gefächerten Freundeskreis, wie in meinen Studienjahren, zuerst in München (wo ich ja auch geboren bin und die ersten 24 Jahre meines Lebens verbracht habe), und später in Erlangen, wo ich alsbald ein sehr aktives Mitglied der ESG wurde und einige Jahre lang in der Wohngemeinschaft im ESG-Haus mitgelebt habe. Ich war zwar fromm, aber ansonsten in jeder Hinsicht eine völlig normale evangelische Theologiestudentin, sofern man überhaupt „normal“ ist, wenn man sich für diesen Fach interessiert.
Das einzige, was ich nicht hatte, war ein Freund. Weder in München, noch in Erlangen, noch in meinen späteren Jahren im Pfarramt. Und in all diesen Jahren fehlte mir eine solche Beziehung nicht. Gar nicht. In keinster Weise. Ich war, wirklich und ehrlich und wahrhaftig einfach zufrieden als „fromme Single Frau“. Das habe ich in diesen Jahren wohl auch so ausgestrahlt.
Mein guter Freund Andreas Ebert meinte einmal, mit Augenzwinkern: „Christiane, deine Heiligkeit blendet mich. Du säufst nicht, du rauchst nicht, du hurst nicht und du wirkst trotzdem nicht verklemmt. Hast du denn gar kein Laster?“ Ich überlegte kurz und antwortete dann: „Nö.“
Andreas brachte mir dann einige Jahre später das Pfeiferauchen bei. Damit ich wenigstens ein kleines Laster habe. Seit dem rauchte ich dann jeden Sonntagabend beim Tatort Pfeife als Wochenabschlussritual. (Seit meiner Schwangerschaft allerdings nicht mehr.)
Einmal redete ich lange mit einer Freundin mit akutem Liebeskummer. Sie schüttete mir ihr Herz aus, ich hörte ihr zu, nickte manchmal verständnisvoll. In diesem Gespräch wurde mir klar, dass meine Beziehung zu Gott mich in diesen Jahren wirklich so tief erfüllte, dass ich mir schlicht nicht vorstellen konnte, neben Gott noch einen Mann (oder eine Frau) in meinem Leben zu haben.
Ich lebte damals, völlig erfüllt und freiwillig, zölibatär. Auch als um mich herum sich viele Paare fanden und etliche davon heirateten, machte mir das nicht das Geringste aus. Ich hatte Gott und einen lebendigen Freundeskreis und vor allem viel Zeit zum Beten. Ich ruhte in mir und es ging mir gut. Auch alleine mit mir konnte ich es gut aushalten.
Während eines Spaziergangs im Wald bei Erlangen tat ich so etwas wie einen heiligen Schwur: Ich würde niemals heiraten, nur um nicht alleine zu sein. Wenn ich denn einmal heiraten sollte, dann aus Liebe, auch wenn ich mir das damals nicht wirklich vorstellen konnte.
Und ich sagte zu Jesus: „Herr, wenn du willst, heirate ich dich. Ich habe doch nur die EINE Liebe, wie könnte ich gleichzeitig dich und einen Mann (oder eine Frau) mit letzter Verbindlichkeit lieben?“
Ich fühlte mich tatsächlich als eine Braut Christi, um diesen alten Begriff zu bemühen. Und dabei innerlich sehr lebendig, und nicht etwa verklemmt.
Vor meiner Taufe hatte ich einmal eine kurze Affäre gehabt. Viele Jahre später eine weitere. Einmal war ich sehr verliebt. In eine Frau. Aber sonst war, bis ich sehr viel später meinen jetzigen Ehemann kennenlernte, absolut nichts „Sexuelles“ in meinem Leben.
Auch jetzt im Nachhinein glaube ich nicht, dass ich in dieser Hinsicht viel verpasst habe.