Um ehrlich zu sein, ich saß nach etwa einem Jahr im Probedienst wie auf Kohlen und konnte kaum erwarten, endlich weg zu kommen. Egal wohin. Aber Stadt!
Während meines Spezialvikariats in Selbitz hatte ich auch Kontakt zur charismatischen Bewegung innerhalb der Landeskirche. Manches davon war mir sehr fremd. Was mich begeisterte war, dass es hier Christinnen und Christen gibt, die ganz konkret hier und heute damit rechnen, dass Gott da ist, lebt und wirkt. Die ihn in ihren Alltag hinein lassen. Die sich ihm im Gebet öffnen und wirklich auch bereit sind, ihr Leben zu ändern, wenn der Heilige Geist sie dazu bewegt.
Ich mochte auch die Lobpreisgottesdienste. Einfach Gott anzubeten, ohne in Gedanken gleich wieder beim Terminkalender zu sein. Charismatiker nehmen sich Zeit für Gott. Okay, die Lieder dieser Bewegung waren zum Teil nicht so „meins“. Aber ich habe dort vieles entdeckt, woran ich wirklich anknüpfen konnte und so wagte ich es, mich auf eine sehr „gewagte“ Pfarrstelle zu bewerben.
Schweinfurt Auferstehungskirche.
Der Kollege, der die Stelle vor mir hatte, war dort 33 Jahre lang. 33 von den 50 Jahren, die es die Gemeinde überhaupt gab.
Alle die mich gut kannten, schlugen beide Hände über dem Kopf zusammen und rieten: „Tu es nicht! Warte, bis du irgendeine nette kleine 2. Pfarrstelle in München oder Nürnberg bekommen kannst. Es passt so viel besser zu dir.“
Ich wollte aber da hin. Unbedingt. Gott, was sagst du dazu?
Er sagte erstmal gar nichts. Ich dachte, wenn die Stelle frei ist und die mich nehmen, wird es schon passen. Dass sich außer mir überhaupt niemand darauf beworben hatte, ignorierte ich. Ich schrieb meine Bewerbung.
Dann tat ich etwas, was ich sonst nur ganz selten mache. Ich „däumelte“. D.h., ich nahm die Bibel, ließ die Seiten über meinen Daumen laufen und schlug dann irgendwo auf.
Mein Blick fiel auf Jeremia 45: Dies ist das Wort, das der Prophet Jeremia zu Baruch…redete. So spricht der HERR Zebaoth: Du sprichst: Weh mir, wie hat mir der HERR Jammer zu meinem Schmerz hinzugefügt! Ich seufze mich müde und finde keine Ruhe. – Sage ihm: So spricht der HERR: Siehe, was ich gebaut habe, das reiße ich ein, und was ich gepflanzt habe, das reiße ich aus, nämlich dies mein ganzes Land. Und du begehrst für dich große Dinge? Begehre es nicht! Denn siehe, ich will Unheil kommen lassen über alles Fleisch, spricht der HERR, aber dein Leben sollst du wie eine Beute davonbringen, an welchen Ort du auch ziehst.
Ja, ich weiß, dass man die Bibel nicht so „befragt“, eigentlich. Die Bibel ist ja kein Orakel. Ich beschloss, die Sache zu vergessen. Ich hatte mich in einem schwachen Moment hinreißen lassen, etwas theologisch völlig Fragwürdiges zu tun. Die Bibel aufs Geratewohl aufzuschlagen und zu meinen, dass dieser Zufallstreffer dann irgendwie relevant wäre. Trotzdem hatte ich sofort ein total mulmiges Gefühl. Etwas an diesen Versen traf mich ein Hammer. Als ob Gott eine letzte ultimative Warnung ausspricht: Tu es nicht, bewirb dich nicht dort, warte ab, ich habe etwas anderes für dich!
Ein paar Tage später musste ich irgendetwas vorbereiten wahrscheinlich eine Predigt. Ich nahm eine meiner vielen Bibeln. Wohlgemerkt eine andere. Ich schlug irgendwo auf, um dann nach meinem Text zu blättern. Und Jeremia 45 sprang mir entgegen.
So ein blöder Zufall, dachte ich, und beschloss, die Sache zu vergessen.
Meine Bewerbung ging durch. Ich packte nach einem bewegenden Abschiedsgottesdienst meine Siebensachen. Ich zog nach Schweinfurt. Am ersten Abend im neuen Pfarrhaus, nach vielen Begrüßungen, herzlichem Empfang und dem Auspacken erster Kartons beschloss ich, ein wenig spazieren zu gehen.
Ich entdeckte ganz in der Nähe die katholische Schwesterkirche Christkönig und ging hinein. Vorne in dem großen hallenartigen Raum stand ein Ambo (Lesepult) und darauf lag aufgeschlagen, mit den Seiten zur Gemeinde hin, eine Bibel. Zum Lesen einladend. Neugierig ging ich hin.
Überraschung.
Jeremia 45 zum Dritten.
ich finde es so spannend…. lese jeden Tag und warte dann auf die Fortsetzung.
LikeLike