Die Tür des Dekanats fiel hinter mir ins Schloss und in diesem Moment hatte ich auch die Tür zurück in den Pfarreberuf hinter mir zugeschlagen.
Es war kein feier, souveräner Schritt (auch wenn ich mir das gern eingeredet hätte und auch wenn viele mir sagten, sie bewunderten meinen Mut – welcher Mut?). Viel mehr erlebte ich mich wieder mal als eine Getriebene.
Ich hatte mich zum Großteil selbst ins Abseits manövriert. Manchmal überlegte ich, wie wohl meine alternative „Karriere“ ausgesehen hätte, wenn ich damals im Probedienst einfach auf die nette, kleine, überschaubare zweite Pfarrstelle in Nürnberg oder München gewartet hätte, statt diese total überfordernde Pfarrstelle in Schweinfurt anzunehmen. Im Grunde war das der Anfang vom Ende. Jeremia 45 lässt grüßen.
Und wie wäre es wohl weitergegangen, wenn ich dann in Coburg, spätestens als meine Eltern starben, das Gespräch gesucht und mich richtig lang krankschreiben lassen hätte, nicht die drei Wochen wegen Gesichtslähmung, sondern ein halbes Jahr, mit Kur, psychosamatischer Klinik oder etwas Vergleichbarem?
Vermutlich wäre ich dann noch im Amt. Vielleicht auf einer halben Stelle, oder der netten zweiten Stelle einer größeren Gemeinde in München oder Nürnberg.
Vielleicht hätte ich da mein Faible für Spiritualität auch weiter ausbauen können und eine Referentenstelle im Landeskirchenamt ergattert. Wer weiß.
Hätte, hätte, Fahrradkette.
Nun war ich aber keine Pfarrerin mehr und auch wenn ich es gern anders verkauft hätte: Es riss mir den Boden weg.
Nun war eh schon alles egal, dachte ich, dann trete ich eben aus der Kirche aus. Das tat ich auch, völlig kopflos. Weil ich nicht „ohne Bekenntnis“ sein wollte und weil ich die ganz okay finde, trat ich in alt-katholische Kirche ein. Da passte tatsächlich einiges. Vor allem, dass die allermeisten Altkatholiken auch Quereinsteiger sind, Außenseiter innerhalb ihrer ehemaligen Konfession. Meist waren es abtrünnige Romkatholiken, die wie ich aus Frust oder Unzufriedenheit ihre Kirche verlassen und konvertiert waren.
Vieles passte, heimisch wurde ich dort trotzdem nicht – vorerst besuchte ich dann doch den normalen katholischen Gottesdienst in St. Augustin. Roland Huth, der römisch-katholische Pfarrer, wurde ein Wegbegleiter auf Zeit.
Immer noch hing über mir die dicke schwarze Wolke, die den Blick auf den Himmel und meine offene Beziehung zu Gott verfinsterte. Ich betete wieder. Es war nicht mehr wie das Sprechen in einen leeren Eimer, aber weiter als bis zur Zimmerdecke drangen meine Gebete trotzdem nicht. Jedenfalls fühlte es sich so an. Ich hatte Sehnsucht nach Gott und Sehnsucht nach Sinn.
Mein Geschäft als freie Theologin lief nun recht gut an – ich musste ja keine Rücksichten mehr nehmen. Mein finanzielles Polster schmolz weiter.
In diesem Zustand innerer Entfremdung und äußerer Unsicherheit lernte ich meinen Mann Christoph kennen. Fronleichnam 2015. Während der Fronleichnamsprozession, in die ich, beim Spazierengehen im Hofgarten, eher zufällig hineingeraten bin.
Und damit begann wirklich etwas Neues.