Gepredigt am Sonntag Invokavit 2023 in St. Markus, Coburg
Anmerkung: Eigentlich wäre Hiob drangewesen, aber die Sündenfallgeschichte ist auch einer der Predigttexte dieses Sonntags.

Der Sündenfall
31Und die
Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte, und sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten? 2Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;
3aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!
4Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben,
5sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
6Und die Frau
sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie
nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. 7Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie
nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.
8Und sie hörten Gott den Herrn, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam
versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des Herrn zwischen den Bäumen im Garten. 9Und Gott der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? 10Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. 11Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen? 12Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß. 13Da sprach Gott der Herr zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach:
Die Schlange betrog mich, sodass ich aß.
14Da sprach Gott der Herr zu der Schlange: Weil du das getan hast, seist du verflucht vor allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Staub fressen dein Leben lang. 15Und ich will
Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.
16Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber
er soll dein Herr sein.
17Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –,
verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. 18Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. 19Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.
20Und Adam nannte seine Frau Eva; denn sie wurde die Mutter aller, die da leben. 21Und Gott der Herr machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an. 22Und Gott der Herr sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und nehme auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich! 23Da wies ihn Gott der Herr aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war.
24Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.
Liebe Gemeinde,
Die Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies ist eine der größten Storys in der Bibel überhaupt. Denn sie erklärt, wie alles Elend und alles Böse in der Welt seinen Anfang nahm.
Die klassische Auslegung ist diese: Gott verbietet den Genuss der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis. Die Schlange verführt Adam und Eva, das Gebot zu übertreten. Zur Strafe werden die ersten Menschen aus dem Paradies vertrieben. Deshalb leben wir heute unter so widrigen Umständen. Ungefähr 7000 Jahre nach der Vertreibung kommt Jesus, um die Sünden von Adam und Eva und allen ihren Nachkommen auf sich zu nehmen und am Kreuz dafür zu bezahlen. Nach diesem blutigen Opfer ist Gott zufrieden und wir dürfen, nach unserem Tod, dann wieder ins Paradies.
Doch diese Interpretation wirft einige Fragen auf: Warum muss Gott Blut sehen, um vergeben zu können? Wie kommt die Schlange, das Böse, eigentlich ins Paradies, wo doch Gott alles gut geschaffen hat? Wenn Gott doch sowieso schon alles weiß und Adam und Eva als leicht verführbare Wesen erschaffen hat, warum regt er sich dann so darüber auf, dass Adam und Eva sich verführen lassen? Was hätte es eigentlich gebracht, wenn Adam und Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis nicht gegessen hätten? Sie hätten glücklich im Paradies weitergelebt. Nicht wissend, was gut und böse ist – also im seligen Zustand kleiner Kinder. Nackt, unschuldig, satt und zufrieden. Wäre so ein Leben wirklich so erstrebenswert und nicht vielmehr sterbenslangweilig?
Ich höre schon den Einwand: Die eigentliche Sünde sei doch gewesen, dass die beiden sein wollten wie Gott! – Auch dann muss man sich aber fragen: Ist das wirklich so abwegig, wenn es im Kapitel vorher noch heißt, dass Gott den Menschen zu seinem Bilde geschaffen hat?
Das sind lauter logische Fragen, in die man sich verheddert, wenn man diese Geschichte vor einer bestimmten theologischen Schablone liest. Die theologische Schablone ist die vom zu Tode beleidigten Gott, der Adam und Eva dann aus dem Paradies wirft und später durch ein blutiges Opfer besänftigt werden muss.
So ist die Geschichte ursprünglich mit Sicherheit nicht gemeint gewesen. Die Geschichte vom Rausschmiss aus dem Paradies ist, alttestamentlich theologisch gesehen, eine so genannte Ätiologie. Das bedeutet: Eine Geschichte, die erklären will, warum etwas so ist, wie es ist. Man findet etwas vor und versucht, es in einer Geschichte zu erklären.
Was fand man vor? Eine Welt, in der vieles im Argen liegt. Wie kam es dazu? Man glaubte: Gott ist gut, also muss die Welt am Anfang gut gewesen sein. So entstehen die Geschichten von Adam und Eva und dem Sündenfall. Welche Aussagen über Gott und die Menschen werden in diese Geschichte verpackt?
- Dass es tragisch ist, dass Mann und Frau oft so sehr voneinander entfremdet sind. Die Frau muss ihren Mann ihren Herrn nennen. Aber eben nicht weil Gott das so wollte! Gott sagt nicht: Der Mann soll über die Frau herrschen, das ist meine göttliche Ordnung! Im Paradies war es noch nicht so und es ist eigentlich auch nicht so gedacht. Erst außerhalb des Paradieses gilt das Recht des Stärkeren und des körperlich Überlegenen. Man spürt das Bedauern Gottes durch die Zeilen hindurch, wenn er zu Eva sagt: Dein Verlangen wird nach deinem Mann sein, aber du wirst ihn deinen Herrn nennen müssen.
- Die Geschichte von Adam und Eva sagt auch viel über unseren Umgang mit Schuld, und wie wir normalerweise versuchen und herauszureden. Gott spricht Adam an und fragt ihn: Warum hast du getan, was ich dir verboten habe? Adam schiebt die Schuld auf Eva. Eva schiebt die Schuld auf die Schlange. Die Schlange kann auf niemanden mehr die Schuld schieben und wird verflucht. Was Adam und Eva aber nicht entlastet, auch sie müssen die Verantwortung für ihr Tun übernehmen. Fazit: Du kannst dich bei Gott nicht herausreden. Du bist verantwortlich für das was du tust. Es fällt auf dich zurück, auch wenn du dich noch so geschickt herausredest.
- Eine Weitere Wahrheit die in dieser Geschichte steckt: Der Reiz des Verbotenen. Die Schlange spielt meisterhaft damit. „Ja, sollte Gott denn etwa gesagt haben, ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?“ – Ich denke, diese Stimme der Versuchung kennen Sie alle. „Ja sollte denn dieses eine harmlose Kuchenstückchen meinem Blutzucker schaden?“ – „Einmal ist keinmal!“ – Menschen sind leicht verführbare Geschöpfe. Daher: Wachsam sein! Abwägen und prüfen, ob etwas was mir verlockend erscheint wirklich auch gut ist. Vielleicht ist ja die Fastenzeit ein Anreiz, das konkret einzuüben.
- Nicht zuletzt beschreibt die Geschichte unser schwieriges Verhältnis zu Gott. Einerseits vertrauen wir Gott, andererseits fürchten wir ihn oft auch. Beides kommt gleichermaßen zum Ausdruck: Gott wirft Adam und Eva aus dem Paradies, aber es heißt: Er macht ihnen vorher noch schützende Fellkleider. Das heißt: Er sorgt weiter für die Menschen, auch jenseits von Eden.
Die Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies ist eine Art Sehnsuchtsgeschichte. Wir leben „jenseits von Eden“ – wünschen uns aber manchmal so ein Paradies, in dem das Leben einfach und ungefährlich ist, in dem zwischen Mann und Frau ein Verhältnis von echter Nähe und Intimität möglich ist, ohne dass sich jemand schämen muss, und wo Gott wie ein guter Freund oder wie ein Vater, der alles richtet, abends durch den Garten spaziert und man vertrauensvoll mit ihm plaudern kann.
Aber vor der Tür des Paradieses halten die beiden Cherubim mit den blitzenden Schwertern Wache – das heißt: Kein Mensch kann in den Zustand der Unschuld und der unmittelbaren Nähe zu Gott zurückkehren.
Soweit die Auslegung der Geschichte – ganz ohne eine spezifisch christliche Brille. Es ist wichtig, dass wir das nicht vergessen, wann immer wie Texte aus dem Alten Testament lesen: Sie wurden ursprünglich nicht von und für Christen geschrieben, sondern von und für Menschen jüdischen Glaubens.
Die Sehnsucht nach dem Paradies hält die Hoffnung am Leben, dass eines Tages die beiden Cherubim mit den blitzenden Schwertern nicht mehr vor der Tür stehen, dass ein Leben in Einklang mit Gott irgendwann wieder möglich ist.
Und da beginnt dann die christliche Auslegung:
Christen glauben, dass Jesus derjenige ist, der durch sein Leben, sein Sterben und seine Auferstehung für uns die Tür zum Paradies öffnet. Weil in Jesus das aufleuchtet, was Gott gemeint hat, als er den Menschen plante. Weil Jesus der unverfälschte Mensch ist, der Mensch wie er eigentlich gemeint war – der neue Adam. Jesus führt die Menschen wieder hinein in ein Vertrauen Gott gegenüber und in heile Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Den Tod Jesu am Kreuz verstehe ich nicht als ein blutiges Opfer, das Gott besänftigen muss, damit ich selig werden kann. Sondern als letzte Konsequenz aus dem ganzen Leben Jesu, der sich eben nicht in die Logik von Rache und Macht verstricken lässt. Sondern Gott vertraut, der ihn festhält, sogar noch im Tod am Kreuz.
Adam und Eva stehen für uns selbst, für die ganze Menschheit. Wir leben jenseits von Eden. Adam bedeutet nichts anderes als Mensch. Wir sind weit weg vom Paradies. Können aber im Vertrauen auf Gottes bleibende Liebe daran arbeiten, dass ein Stück Paradies entstehen kann, dort wo wir leben. Indem wir im Geist von Jesus Christus miteinander umgehen und wie er vertrauen lernen, dass wir von Gott gehalten sind. Auch dann noch, wenn unsere letzte Stunde kommt.
Amen.