Christliches Wicca? – Schöpfungsspiritualität

Okay, liebe LeserInnen. Jetzt wird es für den einen oder die andere vermutlich seltsam. Ihr müsst das nicht lesen. Triggerwarnung: Esoterik! Hexen! Magie! Neuheidentum!

Wer dazu nichts lesen will, liest jetzt einfach nicht weiter und vertreibt sich die Zeit anderswo.

Ich oute mich jetzt. Als ich ungefähr zwanzig war, kurz vor meiner Taufe, habe ich mich mit allen möglichen Weltanschauungen beschäftigt und zufällig auch mit der Wicca-Religion. Diese kann man grob als heidnische Richtung einordnen, entstanden vermutlich im 19. Jahrhundert in England, wo sich angeblich Rituale und Bräuche der vorchristlichen keltischen Religion noch sehr lange gehalten haben. Mitte des letzten Jahrhunderts fiel ein Anti-Hexen-Gesetz und seitdem wird Wicca öffentlich praktiziert (soweit ich mich eingelesen habe).

Grob geht bei Wicca um den Glauben an ein Götterpaar, in der Regel bezeichnet als „die Göttin“ (oder „die Große Mutter“) und den Gehörnten Gott. Die beiden Gottheiten verkörpern das männliche und das weibliche Prinzip, das Anhänger*innen der Wicca-Religion überall in der Natur verwirklicht sehen.

Bei Wicca spielen magische Rituale eine besondere Rolle, wobei Energien aus der Natur gebündelt und positiv genutzt werden sollen, auch mithilfe von Naturwesen, Steinen, Kerzen, Heilpflanzen, Weihrauch, bestimmten Worten etc.

Die Wicca-Religion folgt im Wesentlichen den heidnischen Jahresfesten, die jeweils mit astronomischen Gegebenheiten wie Sonnenwenden und Tag-und-Nacht-Gleichen zusammenfallen, bzw. dem Mondzyklus. Man kennt acht „Sabbate“ und 12, bzw. 13 Vollmondfeiern. Rituale und Feiern zu Ehren der Gottheiten finden in der Regel im Freien statt, sie werden entweder in Gruppen gefeiert oder von Einzelpersonen begangen und meist werden nicht nur die beiden Gottheiten sondern auch Elemente, Naturgeister, Gestirne etc. angerufen und verehrt. Allerdings dienen die Naturphänomene eher als sichtbare Symbole einer unsichtbaren Wirklichkeit.

Was mich, die 20jährige, an dieser Religion fasziniert hat: Die große Naturverbundenheit. Der Gedanke, dass die ganze Natur beseelt und irgendwie göttlich ist. Die farbenfrohen Rituale (von denen ich leider nur gelesen und die ich nicht erlebt habe). Der Gedanke, mich mit der Natur und den natürlichen Elementen zu verbinden, mit ihnen gut Freundin zu sein, ihre Kraft als heilsam für mein Leben zu erleben.

All das bewegt mich auch heute noch, nur dass ich vieles davon dann zum Glück im christlichen Schöpfungsglauben gefunden habe, in der Spiritualität des Franz von Assisi zum Beispiel und mein Faible für Rituale lässt sich gut mit dem Gottesdienst und in Kasualien verwirklichen.

Wie das Leben so spielt stieß ich dann neulich, nachdem ich lange nichts mehr von Wicca gehört und gelesen hatte, online beim Stöbern nach günstigen Büchern auf ein englischsprachiges Werk mit dem schier fantastischen Titel: „Christian Wicca. The Trinitarian Tradition“ von Nancy Chandler Pittman. Ich las hinein und war erst mal fasziniert: Eine praktizierende Wicca mit christlichem Hintergrund erläutert ihren Glauben, ihre Theologie und die Rituale einer christlich geprägten Unterströmung der Wicca-Religion.

Die Autorin setzt sich in einem Einleitungsteil durchaus fundiert mit der Suche nach der „weiblichen Gottheit“ im Christentum auseinander und wird fündig. Zum einen in der Trinitätslehre an sich. Denkt man den Heiligen Geist weiblich (Ruach, das hebräische Wort, das zumeist mit Geist Gottes übersetzt wird, ist ja weiblich) dann hat man einen männlich gedachten Gott Vater, einen weiblichen Heiligen Geist und eben Jesus als das „Kind“ der beiden anderen „Personen“. Das ist sicher etwas verkürzt gedacht, aber in einem hat sie meines Erachtens recht: Das Christentum besinnt sich erst seit ziemlich kurzer Zeit auf weibliche Aspekte des Gottesbildes.

Sie untersucht dann auch die Rolle der „Weisheit“ (Sophia) im Alten und Neuen Testament, und findet vor allem im gnostischen Schrifttum und in der Kabbalah Belege dafür, dass der jüdisch-christliche Gott nicht immer rein männlich gedacht wurde. Die Verehrung von Maria durch die katholische Kirche ist für sie Ausdruck der Sehnsucht der Menschen nach einer Muttergottheit, die dogmatisch eliminiert, über die Hintertür wieder hereinkommt.

Soweit für mich nachvollziehbar. Einige ihrer Thesen sind dann auch ziemlich krude, z.B. reaktiviert sie den in der Gnosis beliebten Gedanken eines Demiurgen (Schöpfergottes), der an sich unvollkommen und auch etwas bösartig ist und sich vom nur gut gedachten Gott des Neuen Testamentes unterscheidet (warum ausgerechnet der Demiurg dann die im Wiccatum doch so geschätzte Natur erschaffen haben soll, habe ich nicht verstanden).

Die Autorin erklärt, dass aus ihrer Sicht bei Wicca nicht unbedingt heidnische Gottheiten angerufen werden müssen; Wicca böte einen Rahmen, der sich durch ein beliebiges Pantheon füllen lässt und im Trinitatischen Wicca eben durch Gott, Göttin und Jesus als den „Solar God“, also den Gott, für den symbolisch die Sonne steht. (Auch das nicht ganz abwegig, siehe das Lied „Sonne der Gerechtigkeit“ u.a.). Jesus wird gesehen als ein Beispiel für einen sterbenden und wieder auferstehenden Gott, wie es ihn in heidnischen Kulten auch z.T. gibt, und sein Leben wird gedeutet als eine Heldenreise, für die der Jahreszyklus der Sonne sinnbildlich stehen kann. Ansatzweise kennen wir das ja von den Terminen unserer christlichen Feste her. Weihnachten wird nicht umsonst kurz nach der Wintersonnenwende gefeiert: Die Geburt Jesu als die Geburt des Lichtes. Ostern als das Wiedererstarken des Lebens nach der Zeit der Dunkelheit, etc. Für jedes der (heidnischen) Jahresfeste beschreibt sie ein detailliertes Ritual unter Anrufung Gottes, der Göttin und Jesu – natürlich ein Jesus, der mit dem Jesus der Bibel relativ wenig zu tun hat.

Allerdings, und das halte ich dem Buch zugute, blickt sich durchaus in positiver Würdigung auf ihre christliche Sozialisation zurück und kommt anders als andere esoterische/neuheidnische AutorInnen weitgehend ohne Christenbashing aus.

Ich glaube nicht, dass Wicca, ob christlich getönt oder nicht, jemals eine Massenbewegung werden wird. Andererseits erlebt das Neuheidentum aber auch in Deutschland einen Aufschwung, und die Feste im natürlichen Jahreslauf (Jul, Ostara, Beltane und wie sie alle heißen) sind ein Kernelement dieser Bewegung. Schöpfungsspiritualität gibt es auch im Christentum, aber vielleicht wäre es gut, dieses Element bewusst zu stärken. Die Sehnsucht danach ist glaube ich groß.

Nein, ich werde jetzt keine Wicca, auch keine christliche. Was ich mir aber als eine Art geistliche Übung vorgenommen habe: Eigene Rituale zu wichtigen Wendepunkten im Jahreslauf zu entwickeln, Möglichkeiten finden, die Schöpfung kreativ liturgisch zu nutzen. Ich glaube unsere christliche Tradition bietet hier eine Fülle von Möglichkeiten.

3 Kommentare zu „Christliches Wicca? – Schöpfungsspiritualität

  1. Ich setze mich in meinen Gemeinden sehr dafür ein, die „kleinen Feste“ zu feiern. Aschermittwoch, Himmelfahrt, Johannistag, Michaelis und andere. Obwohl es eine Landgemeinde ist, machen die Leute aber nicht mit. Dafür feiern sie Knut und Halloween, mit Feuer und reichlich Alkohol. Dabei mag ich nicht mittun…

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