Unge(b)ahnte Wege gehen

Noch jemand, der geistlich auf eher ungeraden Pfaden dahinstolpert. Bei mir setzt sich die Erkenntnis durch: Egal, in welcher Konfession ich meinen Glauben versuche zu leben, echte Heimat wird mir vermutlich keine Kirche jemals werden. Ich dachte immer, meine unkirchliche Sozialisation wäre sozusagen „überwunden“. Aber je älter ich werde merke ich: Ich habe einfach in keiner kirchlichen Institution wirklich tiefe Wurzeln schlagen können. Ich stehe immer irgendwo dazwischen. Aufgewachsen bin ich unkirchlich. Mein erster „kirchlicher“ Kontakt war römisch-katholisch. Da bin ich lange hin gegangen, auch ohne getauft zu sein. Taufe mit 20: Evangelisch. Das war schon gut, da habe ich viel mitgenommen – und war dann ja auch 12 Jahre im kirchlichen Dienst. Aber echte HEIMAT wurde es mir nicht. Heimatgefühle habe ich am ehesten noch, wenn ich mich mit ebenfalls nicht wirklich beheimateten Mitchristen über Glaubens- und Lebensfragen austauschen kann. Nun bin ich Alt-Katholisch. Ich erlebe (in der kurzen Zeit, die ich jetzt drin bin) die alt-katholische Kirche als eine Art Sammelbecken für sehr viele „gestrandete“ Gestalten wie mich. (Abgesehen von den eher wenigen, die von Geburt an alt-katholisch waren, aber die haben wir hier vor Ort soweit ich weiß gar nicht). Ist es nun gut oder schlecht so? Es ist einfach wie es ist. Auch Jesus hatte keine echte geistliche Heimat, seine innere Heimat war bei Gott. Vielleicht liegt auch ein Segen darin, zu erkennen, dass menschliche Institutionen immer vorläufig sind und die eigentliche Kirche keine menschliche Institution ist, sondern die alle Generationen umspannende Gemeinde der Heiligen, gleich welches Etikett an der Kirchentür pappt oder ob es überhaupt eine Kirchentür gibt. Trotzdem halte ich mich nun zur alt-katholischen Kirche. Und wenn bei uns keine Messe ist (wir leben hier in einer extremen Diaspora), dann „wandere“ ich eben. Römisch-katholisch, evangelisch, freikirchlich…Beten kann man überall.

Weihrausch und Gnadenvergiftung

Schwanberg(09)„Warum denn das jetzt schon wieder?“ Diese Frage begegnet mir in der letzten Zeit in unterschiedlichen Formulierungen immer wieder. Daraus spricht Unverständnis, Sorge, Irritation und Überraschung über meinen Weg in die Hochkirchliche St. Johannes-Bruderschaft, die ich gut nachvollziehen kann. (Und ehrlich gesagt schätze ich die Aufrichtigkeit dahinter sehr).

Nachdem ich nach 17 Jahren in Freikirchen im Jahr 2005 wieder in die kath. Kirche zurückgekehrt bin, kann ich die Befürchtung nachvollziehen, dass sich da eventuell der nächste Konfessionswechsel anbahnen könnte. Nein, er bahnt sich nicht an! Ich habe – und behalte – meine Verortung in der kath. Kirche. Das hat aber noch nie bedeutet, dass ich alle anderen Prägungen wegschieben würde. Sie sind Teil des Weges, den Gott mit mir gegangen ist.

Die Trennungen und Spaltungen in der Christenheit sind für mich nicht nur theoretisch eine offene Wunde. Es wäre einfacher, diese Spannung in Richtung Beliebigkeit einerseits oder Selbstgenügsamkeit andererseits…

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2 Kommentare zu „Unge(b)ahnte Wege gehen

  1. Ich glaube ja nicht, dass man so ein „Heimat“-Gefühl ohne weiteres (wieder oder neu) aufbauen kann, wenn es nicht um einen Kontext geht, in den man hineingeboren wurde – oder zumindest einen, in dem man Jahrzehnte seines Lebens verbracht hat. Ich habe viele Konvertiten in allen Generationen meiner Familie – und viele dabei, die Jahre oder Jahrzehnte hatten, in denen sie in einer Gemeinde zu Hause waren (nicht sofort, nicht nach kurzer Zeit, aber nachdem man da Freunde hat, etwas aufgebaut hat). Für mich war es erst möglich, mich nach einer Konfession umzusehen, in die wir als Familie hineinpassen, als ich mich damit abgefunden hatte, dass mir die konkrete Gemeinschaft vor Ort, die realen Menschen, wichtig sind – ich hatte immer den Anspruch an mich gehabt, mich unabhängig von den konkreten, realen Gegebenheiten „in der Kirche“ zu Hause zu fühlen und musste erst einmal akzeptieren, dass ich so abstrakt nicht fühlen kann. Für Gefühle brauche ich das Handfeste, Erlebbare.
    Das heißt aber auch: um zu Hause zu sein, muss ich selbst etwas tun. Mich mit den Leuten in der Gemeinde anfreunden, mittun, Kontakte knüpfen und halten und eben Gemeindeleben bauen.
    Das wiederum fühlt sich sehr ähnlich an, wie das erste Weihnachten mit eigenen Kindern: wenn man definitiv von der empfangenden in die gebende Rolle gerutscht ist. Wenn Advent nicht selige, gespannte Vorfreude, sondern eine mit leichter Torschlusspanik garnierte To-Do-Liste beinhaltet; und die Aufgabe, trotz des oje-ich-muss-noch-so-viel-tun-Gefühls, ruhige, schöne Momente zu finden. Damit zu leben, dass das schöne Weihnachtsgefühl sich erst einstellt, wenn spät am Heiligabend die ganze Familie im Bett liegt und ich mir das Weihnachtsoratorium einschalten kann. Denn ich bin die, die’s macht. Nicht die, der es gemacht wird.
    Natürlich gibt es auch diese gnadenerfüllten Kinder-Weihnachts-Momente (für mich sind das z.B. die baf-Jahrestagungen), aber vor allem ist Heimat in einer Kirche(ngemeinde) für mich etwas, was ich selbst bauen muss. Lohnt sich allerdings 🙂

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  2. „Heimatgefühle habe ich am ehesten noch, wenn ich mich mit ebenfalls nicht wirklich beheimateten Mitchristen über Glaubens- und Lebensfragen austauschen kann“
    Das geht mir ganz genau so. Seit ich mich vor über 30 Jahren von einer Freikirche abgewendet habe, habe ich es aufgegeben, in irgendeiner Kirche oder Gemeinde irgendeine Heimat finden zu wollen. (Ich bin ebenfalls relativ areligiös aufgewachsen).

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