Morgen ist der 4. Fastensonntag – Halbzeit der Fastenzeit, das so genannte „kleine Ostern“ und neben dem 3. Adventssonntag (dem Sonntag Gaudete) der einzige Sonntag, an dem Pink die offizielle liturgische Farbe ist. Pink ist eine Mischung aus Violett und Weiß. Violett die Farbe der Buße, Weiß die Christusfarbe – das österliche Weiß scheint sozusagen schon durch das Violett der Leidenszeit hindurch. Nur dass die meisten Gemeinden leider keine Paramente und Messgewänder in Pink besitzen, weil das halt nur zwei mal im Jahr zum Einsatz käme.
Tagesevangelium morgen ist das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Die Heimkehr des verlorenen Sohnes zum Vater kommentiert dieser bekanntlich mit den Worten: „Dieser mein Sohn war tot und lebt wieder, er war verloren und ist wiedergefunden!“ Auferstehung im Kleinen, in den zwischenmenschlichen Beziehungen.
Mir gefällt das Rembrandt-Bild von der Heimkehr des verlorenen Sohnes sehr gut.
Interpretationen zu diesem Bild gibt es sehr viele. Zwei Sachen beeindrucken mich besonders: Zum einen die Hände des Vaters. Der Vater steht ja für Gott. Wenn man genau hinschaut, erkennt man, dass die Hände unterschiedlich sind. Die rechte Hand ist schlank und grazil, die linke Hand im Vergleich dazu viel kräftiger. Eine Frauenhand und eine Männerhand. Will sagen: Gott ist wie ein Vater UND wie eine Mutter.
Zum anderen steht rechts im Bild der ältere Sohn und betrachtet die Szene nachdenklich und vielleicht etwas mürrisch. Er ist derjenige, der brav daheim geblieben war, der nicht wie sein Bruder sein Erbteil mit Prasserei und Huren verbraten hat. Sondern immer schön anständig geblieben ist. Und was ist der Lohn? Der Vater empfängt den aufsässigen kleinen Bruder wie einen Prinzen, schenkt ihm neue Kleider, einen goldenen Ring und lässt sogar ein Kalb für ihn schlachten, damit alle feiern können. Und er, der Ältere, der Verantwortungsbewusste, hat nie etwas dergleichen vom Vater bekommen! Wie ungerecht. Und ja, nach menschlichen Maßstäben ist das natürlich ungerecht.
Wenn man aber genau hinhört, dann merkt man irgendwie: Der Ältere, der Brave, hat sich genauso vom Vater entfernt. Er hat zwar seine Arbeit erledigt, aber nicht aus Liebe sondern aus Pflichtgefühl, nur mit halbem Herzen. Er war zwar körperlich anwesend, hatte aber innerlich gekündigt. Der kleine Bruder ist weggelaufen. Der ältere Bruder ist geblieben, aber innerlich entfremdet. Es ist also eigentlich nicht die Geschichte vom verlorenen Sohn, sondern die Geschichte von den zwei verlorenen und wiedergefundenen Söhnen, oder noch besser: Die Geschichte vom barmherzigen Vater.
Am Ende wird die Rückkehr des jüngeren Sohnes mit einem rauschenden Fest gefeiert – und der Vater bittet den Älteren, doch dazu zu kommen und sich mit zu freuen. Die Antwort des Älteren ist nicht überliefert.
Oft wurde versucht, die Geschichte auf zwei verschiedene Typen von Christen zu übertragen. Der Sohn der wegläuft wären demnach Menschen, die dem Glauben bewusst den Rücken kehren, der Sohn der da bleibt wären diejenigen, die „brav“ in der Kirche ausharren – fragt sich nur, ob mit Liebe oder nur halbherzig. Und ob die Kirche immer identisch mit dem liebenden Vater/Mutter-Gott ist, ist noch mal eine ganz andere Frage.
Ich glaube eher, dass wir beides sein können. Der aufmüpfige jüngere Sohn und der angepasste ältere. Und manchmal sind wir auch einfach mit Freude dabei. Letztendlich geht es darum, dass Vater/Mutter-Gott niemanden von sich stößt, auch nicht nach noch so absonderlichen Abwegen.
In diesem Sinne: Laetare – Freut euch!
Einen schönen Sonntag.
PS: Kleiner Nachklapp. Ein paar lose Gedanken:
Unser (alt-katholischer) Pfarrer erzählte mir heute nach dem Gottesdienst, dass früher diese Geschichte in der katholischen Kirche benutzt wurde, um Kinder auf ihre erste Beichte vorzubereiten und sie dabei auch gleich die „5 B“ zu lehren, die zur Beichte gehören: Besinnen, bereuen, bekennen, büßen und sich bessern. Heute meint er, sieht er das komplett anders, denn auch der jüngere Sohn ist nicht aus Liebe und Reue zum Vater zurückgekehrt, sondern schlicht und einfach weil er Hunger hatte. Und der Vater will die „Beichte“ auch gar nicht hören („Vater, ich habe gesündigt….“). Er nimmt ihn einfach so wieder an.
Und Freré Roger erzählte einmal, wie er das Gleichnis vor Jugendlichen aus wenig privilegierten Familien erzählt hat. Betroffenes Schweigen bei den Jungs. Dann sagt einer: „Bei uns habe nicht ich, der Sohn, die Familie verlassen. Sondern unser Vater….“
Danke für diese Erläuterungen zum Rembrandt-Bild. Besonders interessant fand ich die weibliche und die männliche Hand. Das passt z. B. auch gut zur Jahreslosung. Typisch theologisch fand ich die Auslegung zur Rolle des älteren Sohns. Die habe ich auch nicht zum ersten Mal gelesen oder gehört und sie missfällt mir wieder Weil die Angelegenheit nun einmal ungerecht ist, wird eine Mitschuld des älteren Sohns hineinkonstruiert, damit es wieder passt. Ich habe gerade noch einmal bei Lukas nachgelesen. Davon steht da nichts! Dort wird das Dilemma anders aufgelöst.
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Vielen Dank für diese schöne Geschichte und die Bilderklärung. Für mich schaut der 2. Sohn gar nicht mürrisch. Für mich sieht es so aus, als trete er absichtlich in den Hintergrund. Vielleicht hat der Vater stark unter dem Verlust des Sohnes gelitten und viel geweint. Der 2. Sohn will die beiden sich in Ruhe begrüßen lassen.
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