Wo sind die „anderen“?

Ich gebe es zu. Ich oute mich. Ich sage jetzt mal öffentlich, was ich im kleineren Kreis oder zu Einzelnen auch schon mehrfach gesagt habe – ohne eine echte Lösung zu wissen: Wäre ich nicht – noch – Gemeindepfarrerin, sondern würde zufällig als evangelische Christin in „meiner“ Gemeinde wohnen, gäbe es keine einzige kirchengemeindliche Veranstaltung, die mich hinter dem Ofen hervorlockt.

Puh.

Jetzt ist es raus.

Mal ernsthaft: Ich bin 41, ledig, Akademikerin. Welche Veranstaltung meiner – oder im Prinzip irgendeiner beliebigen – volkskirchlichen evangelischen Gemeinde sollte ich denn besuchen? Die Mutter-und-Kind-Gruppe? Krabbelgottesdienst? Seniorenkreis? Frauenkreis (lauter Frauen jenseits der 55)? Gemeindefrühstück (kaum einer unter 70)? Gottesdienst? Ja, den vielleicht, manchmal.

Ansonsten würde sich mein ehrenamtliches kirchliches Engagement darauf beschränken, dass ich, so vor Ort vorhanden, in einem guten Kirchenchor mitsinge, was ich ja realiter auch tue, im Coburger Bachchor. Aber auch da singe ich nicht mit, weil es ein KIRCHENchor ist, sondern weil es einfach ein verd….. guter Chor ist, weil der Chorleiter was drauf hat und mich das Programm anspricht. Gäbe es vor Ort einen „weltlichen“ Chor mit ähnlicher Qualität, wäre ich da genauso dabei.

Ich wäre also, wenn ich nicht Pfarrerin wäre, eines der ca. 2000 Gemeindeglieder, die man im allgemeinen als „kirchenfern“ bezeichnet.

Hammer, oder? Und das sage ich als Pfarrerin!

Woran liegt es? Bisher kenne ich – zumindest im kleinstädtischen, fränkischen Milieu – keine Kirchengemeinde, die neben den traditionellen Feldern Kinder, Familien und Senioren, eventuell noch Jugend, irgendwelche neuen soziologischen Gruppen erschlossen hätte. Auch von den genannten Gruppen werden natürlich nicht alle erreicht. Aber immerhin.

Und ich persönlich glaube, „mehr“ oder „anderes“ ist in den meisten Fällen auch gar nicht gewünscht, bzw. gar nicht im Blick.

Natürlich sagt es keiner laut. Aber wenn man in der Kirche ehrenamtlich tätige Menschen zur Seite nimmt und mal ganz vertraulich fragt: „Was hätten Sie denn lieber? Einen Pfarrer, eine Pfarrerin mit Familie, oder wäre auch jemand okay der Single ist?“ kommt in 90 Prozent aller Fälle die Antwort: „Ein Pfarrer mit Familie wäre besser, weil der könnte dann gleich viel besser die Familienarbeit ankurbeln, und die Kinder von ihm wären ja auch im Kindergottesdienst, und die Frau könnte….“

Es geht also in erster Linie darum, dass „der Neue“, Pfarrer, Pfarrerin Familien mit Kindern für die Gemeinde gewinnen und die „Alten“ versorgen soll (Geburtstagsbesuche, Seniorenkreis, etc.)

Vielleicht ist das in Großstädten inzwischen anders. Fakt ist aber: In den Gemeinden, die ich bisher kennengelernt habe, weil ich eine Weile als Pfarrerin dort wirkte, ist z.B. meine eigene soziologische Gruppe völlig unsichtbar.

„Ja dann machen Sie doch mal was….“ – Theoretisch möglich. Praktisch scheitert es meiner Erfahrung nach an Anknüpfungspunkten. Gemeindearbeit kommt doch erst dann ins Rollen, wenn es ein paar Leute gibt die sagen: „Jawoll, wir wollen da was….“ – bei einer normalen Kirchengemeinde kommen aber bestimmte Menschengruppen gar nicht auf die Idee, irgend etwas von der Gemeinde zu wollen. Und alle Versuche, etwas zu initiieren, sind furchtbar mühsam und scheitern letztlich an der seit Jahrzehnten und Jahrhunderten eingefahrenen Dynamik.

Aber, so überlege ich weiter, vielleicht ist „Kirchengemeinde“ gar nicht das, was solche Leute wie ich brauchen. Vielleicht brauchen „wir“ (Menschen, die aus irgendeinem Grund aus dem normalen Kirchengemeinde-Schema herausfallen) ja eher so etwas wie „freie Radikale“, an denen „wir“ andocken können. Also nicht eine Kirchengemeinde mit Gemeindepfarrer und traditionellem Programm. Sondern so etwas wie „niedergelassene“ Pfarrer, Pfarrerinnen, die einfach da sind, vor Ort wohnen, aber nicht in eine Gemeinde eingebunden sind und auf kirchliche, spirituelle, religiöse Fragen ansprechbar. Die ab und zu Vorträge anbieten. Oder Seminare. Oder Einzelgespräche. Glaubenskurse. Meditationsgruppen. Gesprächsreihen. Oder gute und stimmige Kasualien (Taufen, Trauungen, Bestattungen, Konfirmationen, sonstige Rituale, wie z.B. Rituale zur Trennung oder Scheidung, Haussegnung, etc. pp.) – auf deutsch freie Theologen mit kirchlichem Auftrag, auch zur Verkündigung und Sakramentsverwaltung.

De facto geschieht das längst. Ich fürchte nur, dass die Landeskirchen diese Chance verpennen und diesen Markt Leuten überlassen, die völlig frei und ohne jegliche kirchliche Anbindung lancieren.

Übrigens betrifft das Problem der Unsichtbarkeit in kirchlichen Einrichtungen und Gemeinden nicht nur bestimmte Lebensformen (Singles, Alleinerziehende, Homosexuelle, etc.). Sondern auch bestimmte Charaktertypen. Wer sich ein wenig mit den Riemannschen „Grundformen der Angst“ auseinandergesetzt hat, der merkt doch sofort, dass in der klassischen Kirchengemeinde sich Menschen mit so genannter „depressiver“ Grundangst (Angst vor Trennung, brauchen und geben menschliche Wärme) und „zwanghafter“ Grundangst (Angst vor Veränderung, Liebe zur Tradition) tummeln.

Wohingegen die „schizoiden“ Typen (Angst geschluckt zu werden, Freiheitsliebe) fast gänzlich fehlen und der „hysterische“ Grundtyp (liebt Veränderung und Neues, hat Angst, festgelegt zu werden) zumindest sehr selten anzutreffen ist.

Sprich: Kirchengemeinde in gewohnter Form ist etwas für Familien mit Kindern, eventuell heterosexuelle Paare (gerade noch), Senioren und wenn es gut geht, rennen auch die Konfirmanden nicht gleich davon. Außerdem: Für „depressive“ und „zwanghafte“ Persönlichkeitstypen, die menschliche Nähe und Traditionen lieben.

Und für alle anderen offenbar nicht.

Das ist eine steile These. Ich bin gespannt auf Eure Reaktionen.

74 Kommentare zu „Wo sind die „anderen“?

  1. Ich stimme dir völlig zu, was Angebotsstruktur, depressive Grundstruktur anbetrifft. Die These ist auch nicht steil. Mein Presbyterium kennt die Gedanken auch 😉
    Eine „Lösung“ habe ich auch nicht. Gott sei Dank gibt es hier und da hoffnungsvolle Einzelprojekte, die in andere Richtungen gehen. Und Gemeinden beleben.
    Ich denke, es muss in die Richtung gehen, die Axel Noack letzte Woche poinitert so genannt hat: „Pfarrers, raus aus den Gemeindehäusern, die heißen GEMEINDE-Häuser.“ Raus zu den Menschen. Wenn wir Pfarrers das ernst nehmen würden, könnten (und den ca. zwanzigjährigen Widerstand aushalten, der dann folgt), dann könnte etwas anders werden. Fünf Jahre haben wir in meiner Gemeinde HEFTIG darum gestritten, ob die Evangelische (!!) Familienbildungsstätte mit ins neue Gemeindezentrum einziehen sol, oder ob wir doch lieber „unter uns“ bleiben (sie kommt mit rein, aber ich sag dir, das waren Diskussionen…)
    Ich gebe die Hoffnung dennoch nicht auf. Mein Buch: Zeitsprung – Gemeinde 2030. Erzählung aus der Zukunft unserer Kirche
    habe ich genau deshalb geschrieben.

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    1. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, ob dieses alte „der PFarrer muss“ raus im Sinne von Geburtstagsbesuchen, etc. viel bringt. Ich meinte neulich zu einer Kollegin: Ich will Wüstenmutter werden…. Die Wüstenväter wirkten einfach durch ihr Da-Sein und es sprach sich herum, dass sie da sind….

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      1. Nein, raus zu den Besuchen allein reicht nicht. Und wir werden es erleben, wie es im Osten schon beginnt: Pfarrerin im Nebenamt – Zahnärztin im Hauptberuf und SO „versorgt“ sie ein bzw. ihr Dorf (Beispiel auch von Axel Noack aus Sachsen-Anhalt). Dei ganze Einstellung muss sich unter uns Pfarrers ändern. Ich mach ja deswegen so gerne KDA, weil ich da direkt mit der „Welt da draußen“ zu tun habe. Und die allermeisten finden das gut, wenn sich ein Pfarrer für ihre Arbeit interessiert. Social Media ist ein anderes Beispiel. Nur: „Meine Kerngemeinde“ hat keine Ahnung davon …

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      2. hehe…so isses. ich habe über 600 Follower auf Twitter und 172 auf FB. neben Alltagsgeplänkel: Immer wieder super Kontakte zu Glauben, Religion, etc. – nur von der Kerngemeinde merkt das kein Mensch. Eine einzige Followerin ist eine ExKonfi. Alle anderen: Keinerlei Bezug zu „meiner“ Gemeinde.

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  2. Vor 15 Jahren wurde ich als junger Pastor vom Presbyterium geschickt meine Altersgruppe (30+) zu besuchen. Nach dem ersten „Besuchserlebnis“ war klar. Ich hatte nichts im Gepäck, was mir selbst halbwegs interessant für mich zu sein schien.
    Wir fingen an andere Gottesdienstmodelle im weiteren städtischen Umland zu besuchen, änderten die Gottesdienstzeit und sprachen Menschen an, von denen wir dachten, dass sie vielleicht Interesse hätten an einem Vorbereitungskreis zu einem Gottesdienst in anderer Form. Es gibt den Trägerkreis immer noch. Menschen zwischen 30 und 50, die auch außerhalb dieses Kreises Kontakt untereinander haben. Ich weiß, ein kleines Pflänzchen! Aber volkskirchlich ist das Modell viel zu sehr auf die Pfarrerin* zugeschnitten, die sich kümmern (=versorgen) soll, als das sich grundlegend etwas ändern könnte. Ich wünsche dir, dass du als „freie Radikale“ „einfach“ da bist und die Wüste zum blühen bringst.

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  3. Wenn ich mal wieder im Gemeindedienst sein sollte, ich glaube, ich würde mit der Gemeinde genau in diese Richtung ins Gespräch kommen: Wir müssen wir Gottesdienst feiern, wie müssen wir Gemeinde gestalten, damit Menschen wie du und ich Lust haben, dabei mit zu machen?

    In meiner Probedienstgemeinde machten viele mit, die anderswo zu den Distanzierteren gehört hätten: Gemeindeaufbau durch Gemeindefeste… Sie konnten sich einbringen, ihre ganze Kreativität, ihre neuen Ideen – und es machte Spaß. Und sie kamen auch in den Gottesdienst und hörten zu. Ich musste gar nicht so viel machen. Man musste sie einfach auch mal machen lassen. Vieles konnten die viel besser als ich.

    Leider gab es nach meiner Zeit ein paar Vorkommnisse, die zum Bruch führten. Viele Jahre Aufbauarbeit der Pfarrer dort waren in wenigen Tagen zerstört.

    Es ist lange her, dass ich reingeschaut habe, aber es war viel dran:
    Kommunikation: Wie christlicher Glaube funktioniert. (Bd. 13) von Hans-Dieter Bastian von Kreuz-Vlg., Stgt. (Juli 1982)

    Schade, dass manche der guten alten Bücher so schnell von vielleicht doch weniger guten neuen Büchern verdrängt werden.

    Vielleicht müssen wir gar nicht selber die Gemeinde gestalten, vielleicht müssen wir nur zulassen, dass andere auf ihre Weise mitmachen können. Sie wissen doch viel besser als wir, was ihnen gut tut! Scheitert Gemeindeaufbau nicht oft daran, dass wir sie nicht machen lassen, dass wir sie hindern und ihnen im Weg stehen? Schon allein deshalb, weil wir zu erschöpft sind vor lauter etwas für andere machen?

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    1. Es muss so etwas wie Binnenwahrnehmung geben, die auch bei den Pfarrpersonen selber einsetzt. Als ich nach 10 Jahren meinen alten Vikariatskurs wieder traf, von denen der Großteil bestallt wurde mit einem Amt, ging es eher um „Wie mache ich …“ als um die Wahrnehmung selber. Als jemand, der keinen solchen Job inne hatte, kam es mir sehr sehr fremd vor und doch waren es diesselben Kollegen, mit denen ich damals im Predigerseminar sass. Auffällig auch, dass nach 10 Jahren nur ein Kontakt gehalten hat und die Fähigkeit entwickeln konnte, über Welten zu kommunizieren. Lebensbereiche, die sonst nicht vorkommen. Ich glaube, es gibt da auch eine gewisse Selbstbeschränktheit bis -bezogenheit derjenigen, die ja jetzt mit dem Amt betraut wurden. Diese Binnenwahrnehmung lässt das andere draußen nicht zu, allenfalls als Ort der Sehnsucht oder des Fremden. Daher gut, wenn die Müllerin das erkannt hat und die gepflegte eigene Dialektik – hier ohne meinesgleichen, meinesgleichen nur ohne die Kirche – erst mal wahr nehmen kann.

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  4. Ich bin SO WAS von bei Dir! Ganz genau so ist es. Und mein KGR weiß das auch.
    Ich hab auch schon gedacht, dass ich am liebsten „freie Pfarrerin“ wäre – wie von Dir beschrieben. „Freie Radikale“ ist natürlich ein noch schöneres Wort.
    Ich hab hier: http://www.pfingstnacht.de/ etwas erfahren, was mich sehr belebt hat. Das ist aber auch die einzige öffentliche kirchliche Veranstaltung, die ich kenne, bei der welche wie ich die Zielgruppe sind.
    Ich bin nämlich auch noch unmusikalisch – Chor fällt also auch weg.
    Manchmal komme ich mir vor wie ein Alien – obwohl ich ganz viele liebe Leute in der Gemeinde habe, die auch nicht sich abschotten wollen oder so.

    Ich mache zB Gottesdienste so, dass sie mir gefallen – so weit ich die sonstigen Kapazitäten (Kirchenmusik etc) dazu habe. Das geht und ist nicht unerfolgreich. Aber es ist nicht so, dass die GD-Gemeinde jetzt besonders enddreißigerinnenhaft davon würde. Und ich verstehs. 9.30 Uhr. Muß ich mehr sagen?

    Übrigens: Bin 38, weiblich, Single, Akademikerin, Pfarrerin.

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  5. Wenn du noch in den Gottesdienst gehen würdest ist doch schon super… Ich finde krass wird es an dem Punkt, wo klar ist, dass der Gemeinderat selbst nicht in den Gottesdienst geht, aber auch keine Lust hat die Anstrengung aufzubringen etwas zu verändern oder nicht die Chance auf einen Gottesdienst sieht, der sie ansprechen und wirklich packen könnte. Und dennoch fragt man sich, wundert sich, ist enttäuscht, dass kaum jemand kommt außer den Konfis. Wir machen aber lieber so weiter, auch wenn am Ende nur noch der Pfarrer/die Pfarrerin im Gottesdienst ist. Der letzte macht dann das Licht aus.
    Noch bin ich nicht Pfarrer, aber in ein paar Jahren wahrscheinlich. So musste ich es leider in meinem Praktikum erleben.
    Übrigens verzweifel ich regelmäßig schon jetzt im Studium daran, dass ich merke, dass 50% meiner Kommilitonen/innen nicht in den Gottesdienst gehen, aber trotzdem später “ihre” Gottesdienste genauso machen wollen, wie es “schon immer” war. Ist doch irgendwie komisch… Haben die Leute keine Ideen?

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    1. Komisch ist: Selbst in meiner momentanen wirklich sehr offenen Gemeinde ist es schwer, Fantasien zu entwickeln, wie alternative Wege gehen könnten. Ich bin nun echt keine Pfarrerin die die Kirche leer predigt, da kommen immer so 50 – 60 Leute zum Gottesdienst, das ist für die Gemeindegröße (2300 Gemeindeglieder) nicht üppig, aber doch ganz okay. Aber: Selbst Weihnachten kommen in allen Gottesdiensten zusammen vielleicht 450 – dh, dreiviertel der Gemeinde erreicht man nicht mal an Weihnachten.

      Was künftige Pfarrerinnen betrifft glaube ich, eins der Hauptprobleme ist, dass Pfarrerinnen immer noch meist aus der klassischen kirchlichen Sozialisation kommen, also über Kindergottesdienst, Jugendarbeit ins Theologiestudium rutschen. Daran ist gar ncihts auszusetzen, im Prinzip. Aber diese Vor-Sozialisation der meisten Pfarrerinnen trägt halt auch dazu bei, dass anderes kaum in den Blick kommt….

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  6. Oh wie wahr…. sellbst bei uns in nem gemeindlichen Neuaufbruch-Projket überwiegen die depressiven und zwanghaften. Kirche ist eigentlich ein guter Ort für Menschen, die in der Spannung zwischen der Welt wie sie ist und wie sie sein sollte handeln wollen. Wir brauchen mehr Ermöglichungsstrukturen, damit Menschen in der Kirche aus ihren Herzensanliegen Projekte machen können und isch mit anderen Schizoiden und Hysterikern verbünden können 🙂

    Ich bin 33, leicht hysterisch und Single – komme also auch nicht vor 🙂

    http://www.refo-moabit.de

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  7. Breite Zustimmung. Danke für den Artikel!

    Warum zitieren Theologen eigentlich so gerne Fritz Riemann? Das muss auch an der Pfarr-Sozialisation liegen 🙂 Dass „Kirche“ unterschiedliche Persönlichkeitstypen anzieht, sehe ich auch so. Es gibt aber noch eine Differenzieung, die ich eigentlich gehaltvoller finde. Nein, ich sag jetzt nicht Milieus! Ich finde die Überlegungen in „Gott 9.0“ sehr hilfreich. Ich mag Tikis Knollelnasenästhetik zwar nicht, aber die Gedanken in dem Buch sind sehr gut (Spiral Dynamics). Die unterschiedlichen (ästehtischen) Präferenzen hängen meines Erachtens stark mit den unterschiedlichen Gottesbildern zusammen.

    Die Idee mit den „freien Radikalen“ ist sehr gut. Kann ich dazu noch mehr von Ihnen lesen?

    Das mit den Familien ist so eine Sache. Ich habe zwei Kinder (noch ganz klein), aber auch ich finde in der Kirche wenig für Familien. Also etwas Gutes, bei dem Familien auch wirklich als Familien angesprochen werden, spirituelll angesprochen werden! In der Regel gibt es Angebote für Kinder, zu denen dann auch Eltern mitkommen (aka „Familiengottesdienst“). Es gibt Familienwochen in Taizé, und ich habe eine Fortbildung in der Nordkirche zum „Vater-Kind-Trainer“ mitgemacht – sowas meine ich, muss es aber wirklich suchen.

    Martin

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    1. Anmerkung: Gott 9.0 kenne ich gut, habe es vor drei Jahren als es rauskam ( oder noch länger? Zeit vergeht!) geradezu verschlungen. Irgendwie ist es ab blau aufwärts immer noch ziemlich dünn in unseren kirchlichen Angeboten. Frage mich immer, wie damit umgehen.

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      1. Finden Sie wirklich, ab blau aufwärts ist es mau? Ich finde es oft ziemlich grün in der Kirche (vielleicht ist es auch eher pseudo-grün?). Mag auch sein, dass es daran liegt, dass ich sehr mit gelb sympathisere… Sollten Sie mal freiberuflich damit unterwegs sein (wie im Kommentar weiter unten erwähnt), lassen Sie es mich wissen, würde mich sehr freuen!

        Ich glaube mein Familien-Kommentar war etwas unverständlich. Ich wollte nur sagen, dass Kirche sich zwar in der Tat stark auf das normalbürgerliche Familienmodell ausrichtet, was aber gerade nicht automatisch heißt, dass Familien dort auch tatsächlich etwas (gutes) Theologisches finden. SIe werden einfach als Familien-Milieu angesprochen, weil sie damit auch verhältnismäßig einfach zu handhaben und zu bespielen sind. Oft gibts’s da aber nur banales Tüdelü.

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  8. Wasser auf meine Mühlen und Dankbarkeit für diesen Artikel!
    Dazu eine Polemik, die ich durchaus ernst meine:

    Ein befreundeter Pfarrer sprach mal von *vervolkshochschulung* der Gemeinde-Angebote (z.B. Tanzkreis, um freier Atmen zu können um die Eiche des Pfarrgartens mit in natürlicher Senflauge gebatikten Halstüchern…).

    Ich beobachte in der Kirche insgesamt eine gewisse Betriebsblindheit, was gesellschaftliche Entwicklungen und Interessen angehen.
    Kirche erreicht die Menschen *draußen* nicht mehr und das ist (wie richtig beschrieben) mit bestehenden Angeboten nicht aufzufangen oder gar umzukehren.
    Dazu geht es ja auch EMNID-Untersuchungen die von der EKD(!) in Auftrag gegeben wurden und nun wohl leider irgendwo konsequenzlos vergilben…
    Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

    Parallel dazu finde ich in vielen Gemeinden wenig Aufbruchstimmung, wenig neue (und wirklich interessante) Ideen, sondern stets eine Besinnung auf Bewährtes oder Traditionelles. Zudem wird kritisches von Innen oder Außen abgelehnt oder im günstigsten Falle mild oder salbungsvoll belächelt.
    Grob formuliert könnte man sagen: Wir schmoren im eigenen Saft, weinen aber, weil uns die Leute wegrennen.

    Argumentation: Wir wollen ja die wenigen, die noch da sind, nicht verschrecken.
    Ich halte diese Argumentation für grundfalsch.

    Die *Alten* werden schon bleiben und sind durchaus mündig, was neue Ideen, kritische Auseinandersetzung und Lebhaftigkeiten angeht.
    Entscheidender: die Jungen kommen nicht mehr.

    Angebot für die Autorin dieses Artikels und alle anderen:
    Ich arbeite nebenbei als freier Autor und komme gerne mal in eine Gemeinde. Für eine Lesung oder zu einer kritischen Stellungnahme zu einem entsprechenden Thema. 😉

    @chris_huebener
    christoph-huebener.de

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  9. So ein wichtiges Thema und gute Punkte, die du ansprichst! Während meines Studiums war ich 3 Jahre lang in einer evangelischen Gemeinde, in der ich mich ehrenamtlich einbrachte und zeitweise auch in den Gottesdienst ging. Was mich hervorlockte, war der Anfang 30jährige Pfarrer und seine Predigten und Art der Gottesdienstgestaltung. Was mich wieder verschreckte, waren die großen Hürden in der Kerngemeinde, z.B. KGR, trotz Mitarbeit und offener Art wahrgenommen zu werden. Wenn aus oberflächlichen Kontakten nicht irgendwann Freundschaften entstehen (und ich habe Freunde aller Altersgruppen), dann kann ich mich auch bei einer guten Predigt schließlich nicht mehr motivieren, sonntagmorgens aufzustehen, sondern schau mir lieber den Fernsehgottesdienst zuhause an. Aber viele gehen wohl lieber in die Kirche und dann wieder heim. Meine Frage ist also eher, ob es in der Volkskirche Menschen wie mich gibt, die sich mehr soziale Bindung wünschen und z.B. auch außerhalb des Gemeindehauses einfach Leben teilen wollen.

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  10. Danke für den anregenden Beitrag!
    Ja, ich kenne das: Mir selber würde Gottesdienst, Kirchenmusik und vielleicht mal ein interessanter intellektueller Impuls reichen; mehr brauche ich nicht von meiner Kirche, nachdem die Kinder aus dem Haus sind.
    Eines unserer Probleme scheint mir zu sein, dass wir implizit immer das Ziel Beteiligung vor Augen haben. Aber eigentlich müsste unser Ziel sein, dass Menschen, wo und wie auch immer in Gottesfurcht und Gottvertrauen leben können. Dazu muss man nicht kirchlich hochverbunden mehrmals wöchentlich kirchlich aktiv sein. Deshalb finde ich, müssen wir hauptsächlich das tun, was solche Menschen wie ich und du erwarten: qualitativ hochwertige Gottesdienste und punktuell ein paar andere Dinge anbieten. Nein, und mir liegt es auch nicht, den Leuten, die nicht freiwillig kommen, hinterherzulaufen.
    Ein anderer Punkt sind die Eigenaktivitäten derer, die sich beteiligen wollen. Die sollten zulassen und fördern. Stichwort „Freie Radikale“: Wie viel Radikalität lassen wir zu? In meiner pietistisch geprägten Heimatkirche treffen sich Christen jüngeren und mittleren Alters häufig in Hauskreisen, in denen sie Bibel lesen, beten, Glaubensfragen diskutieren, einander helfen und miteinander befreundet sind. Nicht alles, was die tun und denken entspricht meinem Verständnis von Glauben und Christentum; manchmal werden Grenzen überschritten, wo es wehtut. Aber da ist auch viel Bereitschaft, mitzuwirken in der Gemeinde, Feste und Gottesdienste mitzugestalten und Kirchenferne aus ihrer Lebensumgebung mit einzubeziehen.
    Die Frage ist nicht, ob wir Gottesdienste anders machen wollen oder wie immer. Es geht auch nicht darum, Menschen von irgendwoher abzuholen. Entscheidend ist, sie einfach ernstzunehmen.

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  11. Grüße von einer überzeugten Agnostikerin, die gerne hier mitliest.

    Ich wollte nur anmerken, dass ich genau dieses Gefühl des nicht vertreten werdens derzeit gerade in der Politik habe. Wo ist die Partei, die eine intellektuelle, agnostische Frau ohne Kinder mit linksliberalen, humanistischen Ansichten und vielseitigen Interessen vertritt ? In Österreich zumindest gibt es die nicht

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  12. Danke für den Hinweis auf Riemann. Arbeite zum Thema „Evangelische Kirche und Migration“. Mein erstes narratives Interview machte ich mit einem reformierten Pfarrer aus der Republik Kongo, der als politischer Flüchtling nach Deutschland gekommen war, hier durch Zufall in einen evangelischen Gottesdienst geriet, in dem er weder begrüßt, wahrgenommen noch verabschiedet worden war. Für die überschaubare Gemeinde blieb er nicht-existent. Die „drinnen“ schauten durch den „von draussen“ einfach hindurch. Ich habe das bei eigenen Versuchen auch so erlebt, auch ich blieb unsichtbar.
    Seit diesem ersten Interview befasse ich mir dem Phänomen „fremd“, habe viel davon bei Georg Simmel, Alfred Schütz und aktuell bei Bernhard Waldenfels gefunden. Letzterer unterscheidet vier Arten, mit „den anderen“ umzugehen. Erstens sie nicht wahrzunehmen, in die Nichtexistenz zu verschieben, zweitens, sie durch Vertreibung oder Ausrottung zu eliminieren, drittens sie zu vereinnahmen und damit ihrer „Fremdheit“ oder „Andersheit“ zu berauben und schliesslich viertens, den Fremden das Recht zuzugestehen, fremd zu sein, den Anderen also zuzugestehen, anders zu sein und trotzdem mit ihnen eine Gemeinschaft zu bilden. Wobei natürlich letztere Umgehensweise für Waldenfels und natürlich auch für mich die adäquate Umgehensweise ist.
    Mir leuchtet ein, dass (Kern-) Gemeinden oftmals zum großen Teil aus Menschen bestehen, für die Angst der Motor ihres Handelns ist. Auch aus einer anderen Erkenntnis heraus. Die Parochialgemeinden haben sich seit der Aufklärung und der Entstehung des Nationalstaates gebildet. Letztlich sind sie eine analoge Entsprechung des Nationalstaates auf der lokalräumlichen Ebene. Dem deutschen Nationalstaat war eigen, dass er Homogenität und starke Gemeinschaft nach innen und gleichzeitig unbedingte Abgrenzung nach außen (bis hin zum Krieg) ausbildete. Ähnliches scheint mir auch im Bezug auf sich parochial verstehende Gemeinden zu gelten, enge Bindung nach innen bei gleichzeitiger strikten Abgrenzung nach aussen….

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    1. Sehr interessante Beobachtungen….neulich folgendes Erlebnis: Unsere Klinikseelsorgerin hat eins meiner Gemeindeglieder besucht, im Krankenhaus. Und das Gemeindeglied sagte ihr: „Ich empfinde die Atmosphäre in der Gemeinde als kühl…“ – das wunderte mich sehr. Mir kam es eher immer sehr lauwärmelig vor: Neue werden begrüßte, Mitarbeiter grüßen sich mit Umarmung und Kuss…aber vielleicht werden Neue auch nur beim ersten mal begrüßt und dann stehen sie in der zweiten Reihe, während der „inner circle“ sich ohne sie schließt? Dass man sozusagen die Wahl hat: Ganz rein in den Kreis – oder irgendwie außen vor bleiben? Wie geht es mir selber damit? Ich nehme den Kreis sehr wohl wahr. Mein Vorgänger duzte sich mit vielen, etwas was mir eher widerstrebt. Bin ich als Pfarrerin drin oder draußen? Natürlich bin ich mitten im Geschehen, einerseits. Andererseits aber auch ganz oft außen vor. Denn ich mach zwar was für andere (Familien, etc.) und ich mach das auch ganz gut, glaube ich. Aber so richtig andocken tue ich selber nicht. Ich erlebe mich tatsächlich oft in der Frage: Bin ich drin oder draußen? Richtig rein will ich eigentlich gar nicht, ich möchte GEgenüber bleiben. Außen vor sein ist aber auch nicht gut….so erlebe ich selber als Pfarrerin einen inneren Zwiespalt. Den sehe ich bei Kollegen nicht in dem Maße. Wer Familie und Kinder hat, rutscht als Pfarrer offenbar automatisch „rein“ – ich seh das und denke: Das wär mir irgendwie zu nah. Manche ältere Kollegen gehen völlig auf in der Vereins- und Geburtstagsbesuchsarbeit. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. Pfarrer, Pfarrerinnen die das authentisch können, ohne sich dabei zu verbiegen, sind sicher ein Segen für ihre Gemeinden, zumindest für die Menschen, die sie erreichen. Ich will das gar nicht schlechtreden! Immerhin erreichen sie weite Teile ihrer Gemeindeglieder! Was mir aber die letzten 12 Jahre wirklich zu schaffen gemacht hat war die simple Tatsache, dass ich mich immer entscheiden musste, entweder authentisch zu sein, oder „gut anzukommen“. Beides gleichzeitig geht für mich irgendwie nicht. Was in einer Kirchengemeinde „gut ankommt“ im Sinne von „volksnahe/r Pfarrer/in“ ist einfach ÜBERHAUPT nicht mein Ding. Ich kann es zwar, zur Not, merke aber, dass ich mich dafür verbiegen muss. Es gibt etliche, die meine Gottesdienste toll finden – und gar nicht verstehen, wieso ich mich nun beurlauben lasse. Aber das was man so „Beteiligung am Gemeindeleben“ nennt, im Sinne von: Präsentsein in Vereinen, etc., liegt mir gar nicht. ABER: Ich merke zunehmend, dass es „da draußen“ mehr von meiner Sorte gibt. Es wird spannend, wenn ich ab Januar nicht mehr Gemeindepfarrerin bin. Ich habe so das Gefühl, da werden sich Kontakte entwickeln, von denen ich jetzt noch gar nichts ahne.

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      1. Was ich bedenklich finde, ist der unreflektierte Umgang mit „Andersheit“ in der Kirche (und in anderen gesellschaftlichen Organisationen/Parteien/Verbänden/Vereinen ist ja auch nicht anders).
        Entweder Menschen, die anders sind, werden erst gar nicht aufgenommen oder sie werden „geschluckt“ im Sinne von: „Jetzt bist Du eine/r von uns!“ Wobei aber noch nicht einmal annäherungsweise bekannt ist, wer der/die andere ist. Aber man kann sich ja schon mal duzen. Es ist eine Pseudogemeinschaft von angeblich Gleichgesinnten, die sich überhaupt nicht darüber verständigt haben, was denn ihr Gemeinsames ist.
        Mir gefällt auch da Waldenfels: Ich möchte Kirche erleben als eine Gemeinschaft, in der alle anders sein können, sich also zunächst fremd bleiben dürfen. Annäherung und Befremdung als komplementäre Prozesse, vielleicht kann ich es so ausdrücken. Darüberhinaus ist es doch auch nur ein Trugbild, dass ich mir selbst vertraut bin in allen Aspekten meines Seins. Julia Kristeva: „Fremde sind wir uns selbst“.

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  13. Ich mag Kirchengemeinden, nicht nur wegen der Chöre. Sondern wegen ihrer Verschrobenheit. Ich zitiere einen Aushang meiner Gemeinde: Internetkursus für Senioren, lernen Sie den Umgang mit Suchmaschinen und E-Mails, weitere Informationen unter www. . .
    Womit wir beim Thema wären. Die Gemeinde, die mich mit 54 Jahren noch nicht als Seniorin ablegt, die ein Angebot für voll berufstätige Menschen hat, in der nicht alles am Nachmittag stattfindet und ab 19 Uhr – bis auf die Chorprobe – alles verriegelt und verrammelt ist, die muss noch gefunden werden. Warum brechen die Gemeinden nicht mal die Schubladen auf, in die sie ihre Gemeindeglieder stecken. Und was soll ich mit Angeboten wie Frauenkreis, Frauenaktivkreis, Frauenoase und Frauentreffen anfange, alle bei ein und derselben Gemeinde gefunden? Wo ist der Unterschied? Warum sortiert Kirche Menschen nach Alter und Geschlecht?
    Ich weiß nicht, ob sich mit zeitgemäßeren Angeboten etwas ändert. Ich weiß aber, dass sich mit diesen Angeboten gar nichts ändert. Es ist ein eingeschworener Kreis, der fast überall dabei ist, aber Neue kommen von außen selten bis gar nicht hinzu.

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  14. Wahnsinn, ich hätte nie gedacht, dass mein Blogeintrag, den ich gestern wirklich nur so mal in 20 Minuten runtergeschrieben habe, derartigen Wiederhall auslöst. Vielen dank für alle Kommentare und Reaktionen! offenbar habe ich, ohne zu ahnen, dass andere sich an ganz ähnlichen Fragen abarbeiten, einen Nerv getroffen. Gern weiter diskutieren!

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  15. Jajajaja, genau meine Erfahrung!!!! Genau mein „Leiden“… Das ganze der Ortsgemeinde ist noch zu toppen durch eine Auswanderergemeinde, die alles so haben will „wie damals zu Hause“. Und auch wenn man droht „auszusterben“ (im wahrsten Sinne des Wortes!) dann will man bloss keine Veränderung und bloss keine Leute, die etwas ändern könnten….

    Ich stimme Matthias Jung zu – Pfarrer im Nebenberuf oder Zweitberuf, freischaffende Pfarrer sind in meinen Augen die Zukunft und die deutschen Kirchen schlummern den Schlaf der „Seligen“… und verpassen Chancen (nämlich solche Pfarrer, die diese Modelle durchaus gerne leben und probieren würden).

    Ich werde im Herbst ein „Experiment“ beginnen und nur noch Teilzeit als Pfarrerin arbeiten – die andere HÄlfte meines Einkommens muss dann aus einem „normalen“ Beruf gespeist werden. Ich finde das Spannend und glaube, dass es mir einen anderen Zugang zu Menschen ermöglicht.

    Ausserdem denke ich darüber nach, wie man „vor Ort“ Aktionen starten kann: in einem Hochhaus, in einer Uni, in einer Schule… geselliges, gemeinschafts-bildendes und geistliches…
    HIer in Nordamerika wird viel wert auf Nachbarschaftspflege gelegt: Strassenfest organisieren, Party im Hochhaus etc – sich kennen lernen, Schwellenangst abbauen. Das füllt die Kirchen nicht sofort, aber schafft Verbindungen…

    Für die Intellektuellen… Ich versuche es mit Bibelstunden/ Bibelarbeiten/-seminaren, die eine starke Wissenschaftliche Prägung haben: Geschichte Israels, Das Alte Testament und die Frage der Gewalt…. – das geht ein wenig weg von „Kuschel-Bibelstunden“…

    Darüber hinaus: vielleicht ist es nachdenkenswert, ob es eine Phase im Leben gibt, in der Kirche schlicht eine geringere Rolle im Leben spielt, da Familiengründung, Beruf und Karriere etc. stärker im Fokus stehen. Meine Erfahrung hier ist: die Leute interessieren sich für Kirche und Glaubensfragen in dem MOment, wo Kinder anfangen Fragen zu stellen und sie selbst nach Antworten suchen…

    Ich bin sehr dankbar, dass SIe diese Klaren Worte gefunden haben. Sie sprechen mir voll aus dme Herzen…

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    1. Spannend! Dieses Teilzeitmodell wird vermutlich mein übernächster Schritt. Mein nächster: Total raus, Beurlaubung. Ich mach grad eine Ausbildung zur Heilpraktikerin Psychotherapie und versuche dann, mich damit selbständig zu machen. Ergänzend: freie Kasualien, eventuell Vortragstätigkeiten an VHS u.ä. (Themen wie Spiritualität, Enneagramm, Gott 9.0) – und dann irgendwann eventuelle halbe Pfarrstelle und Therapiepraxis nebenher. Aber jetzt muss ich erstmal raus, sonst dreh ich durch :).

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      1. Werte Pfarrerinmueller, ich wünsche Ihnen viel Glück und gute Erfahrungen in einem alternativen Beruf – aber heilpraktische Psychotherapie mit dem naiv reduktionistischen Riemann und dem jede küchenpsychologische Deutung ermöglichenden Enneagramm als Basis bringt sie doch nicht wirklich weiter. Erstens hat es nicht viel mit professioneller Psychotherapie zu tun und zweitens bleiben Sie dann doch in dem Milieu „(z.B. Tanzkreis, um freier Atmen zu können um die Eiche des Pfarrgartens mit in natürlicher Senflauge gebatikten Halstüchern…)“, wie es oben beschrieben wurde.
        Eine Zeit in handfester Arbeitswelt wäre vielleicht doch eine andere Erfahrung.

        Viel Glück und guten Erfolg bei einer Neuorientierung
        Jo

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      2. Ich „kann“ inzwischen nicht nur den naiven Riemann, den ich so naiv nicht finde. Und auch nicht nur das von Ihnen geschmähte Enneagramm. Sondern bilde mich grade umfassend fort im Sinne der Heilpraktikerprüfung. Die so „naiv“ nicht sein kann, da jedes mal ca. 70 % der Kandidaten durchfallen. Oder kennen Sie (so nicht Fachmann) den Unterschied zwischen katatoner Schizophrenie und Schizophrenia Simplex? Oder wissen, was ein Epsilon-Trinker ist?

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      3. o ja, das sehe ich genauso: ab in die obscure nische des psycho-sektors. wie wär’s mit einem karma-kurs. die ecke ist noch schärfer. habe gerade mit zwei fällen zu tun. absoluter wahnsinn.

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      4. Wie gesagt, ich beschäftige mich mit dem HP Psychotherapie. Wer immer wissen will, was da geprüft wird, der kann gern einen Blick in die einschlägige Fachliteratur werfen….ich werde dann wohl eher die sein, die Leute, die in der obskuren Ecke waren, vorsichtig wieder raus geleitet. Wenn sie denn wollen.

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      5. da hätte ich dann einen ganz knackigen fall für sie. das wahnsystem steht bestimmt immer noch an, wenn sie mit ihrer ausbildung fertig sind.

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      6. Nur her damit, wenns kein Fall ist, der dringend medizinischer Betreuung bedarf. Denn da ist des Heilpraktikers Grenze. Medikamente verschreiben darf ich nicht.

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      7. danke für die bereitschaft.aber das ist ein fall für die psychiatrie, nur der betroffene weiß es nicht. seine familie schon, – leider. es ist beängstigend, wenn jemand in einer parallelwelt lebt, die zerstörerisch auf die uns allen gemeinsame zugreift.
        mehr würde zu weit führen.

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  16. Zunächst mal danke. Das wird vielen aus der seele sprechen. Mir auch. Weil es so einen breiten schlendrian in der komfortzone aus ‚familie‘, kirchensteuerzuweisung und ‚kerngemeinde‘ ausweist. Und damit allerdings auch eine menge leute erreicht, die sowas brauchen. Nur eben solche wie Sie nicht. Mich auch nicht wirklich – jedenfalls nicht im regelfall.

    Zwei fragen kommen mir:
    1. In welchem beruf kann man erwarten, dass die ‚kundschaft‘, das heißt die menschen, mit denen oder für die man arbeitet, das annähernd teilt, was einem selbst wichtig ist? Können ärzte das erwarten, psychologen, sozialarbeiterinnen? Erwartet ein pianist das? Wir sind gesinnungstäter, klar. Wir zeigen, was wir lieben. Aber wir bleiben hauptberuflich fromme leute, die in einer großen behörde tun, was sie tun. Abgesichert, bedeutungsloser inzwischen – und engagiert im rahmen des möglichen. Wir tun das nicht für unsresgleichen, sondern für stamm- und laufkundschaft. Wer hat versprochen, als pfarrerin werde man auch diesen letzten rest von entfremdung gegenüber dem eigenen arbeitsplatz überwinden, indem leute auftauchen, die so ticken wie die pfarrerin? Oder bleibe ich darauf angewiesen, mir die guten connections anderswo zu holen? Und ist das vielleicht auch gut so? muss man mögen, dass alles, was mir teuer ist sich in eben der gemeinde abspielt?

    2. Und ich verstehe nicht, was pfarrerinnen und pfarrer daran hindert, ein ganz eigenes -vielleicht verrücktes – projekt zu starten. Und angestammtes dafür eine weile aussetzen zulassen. Eingeborene werden zunächst schräg gucken. Andere werden kommen und mitessen.

    So schön frech die these kommt, so eigenartig fatalistisch und erlösungs-heischend wirkt sie auf mich. Das irritiert mich daran bei aller sympathie.

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  17. Ich genieße den „Luxus“, derzeit Pfarrer im Schuldienst zu sein, aber mir geht es im bezug auf die Ortskirchengemeinde ganz ähnlich. Obwohl ich Mitglied einer sehr lebendigen und aktiven Kirchengemeinde bin, gibt es keine Angebote, die mich reizen. Aber vielleicht ist das ja auch der völlig falsche Ansatz!?
    Sollte Kirchengemeinde nicht zuallererst eine verschworene Gemeinschaft sein? Ich plane am Wochenende eine Gartenterrasse zu bauen. Habe allerdings noch nie eine gebaut und keine Ahnung davon. Also theoretisch schon, aber praktisch nicht. Wie klasse wäre es, wenn da ein dutzend Helfer aus der Gemeinde da wären. Man würde gemeinsam Hand anlegen. Irgendjemand würde sicher Erfahrung haben im Terrassenbau. Danach würde man Grillen und ein Bier zusammen trinken und nächste Woche tapezieren wir bei einem anderen Gemeindemitglied zusammen den Flur oder sanieren das Bad oder reparieren den Zaun oder schneiden die Hecke. Einander helfen, praktisch, da wo man Hilfe nötig hat.
    Warum mir am Wochenende keiner aus der Gemeinde hilft? Weil ich niemanden gefragt habe. Weil deshalb keiner weiß, dass ich eine Terrasse baue. Weil ich ja in keinem Kreis und in keiner Gruppe aktiv bin zur Zeit. Da beißt sich die Katze in den Schwanz!
    Was ich damit sagen will: Vielleicht sollten wir weniger vom Helfen reden und uns mehr bemühen, Strukturen in den Gemeinden aufzubauen, in denen wir uns gegenseitig helfen – aber sehr viel praktischer und nicht mit einer Kollekte für irgendeine anonyme Diakonie. Das auch, aber eben auch vor Ort, ganz konkret: „Christen helfen Christen“ sozusagen – und ja: so elitär wage ich zu sein – denn das würde es für andere endlich mal wieder attraktiv machen, dazuzugehören, denn nur um irgendwann kirchlich beerdigt zu werden oder kirchlich heiraten zu können lohnt sich der „Mitgliedsbeitrag“ für die meisten längst nicht mehr. Wir müssten selbst wieder mehr dafür sorgen, dass es auch mal einem selbst „etwas bringt“ dabei zu sein…frei nach Schiller: „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte…“

    Das sage ich voller Selbstkritik, denn zu wissen, was einem selbst in der eigenen Gemeinde fehlt, heißt leider noch nicht, zu wissen, wie man es besser hinbekommt.

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  18. Wie gut ich das kenne – von allen Seiten her!

    Da hat man mal eine gute Idee, geht damit zum Kirchenvorstand, erscheint zu 3 Sitzungen bis es alle Begriffen haben um was es geht – und es wird abgelehnt.

    Man macht einfach los ohne zu Fragen – die Gemeinde merkts nicht mal, aber der KV findet es toll und die hauptamtlichen Mitarbeiter gehen in totale Defensive weil da plötzlich jemand mitmischt der doch gar nichts zu sagen hat.

    Und als Kirchvorsteher sieht man das Desaster und ist trotz viel Enthusiasmus und hoffentlich auch viel Weitblick trotzdem nicht in der Lage, etwas zu verändern.

    Warum?

    Weil Gemeinden meist durch Kirche im organisatorischen Sinne geprägt sind – und diese Kirche kann nicht „schnell“. Im Gegenteil, in rund 2000 Jahren war es gerade die Überlebensstrategie nicht schnell zu sein sondern träge zu reagieren, so musste man sich nur mit den Dingen beschäftigen, die wirklich langlebig waren.

    Und in allem, was in den Gemeinden läuft, lebt diese langsame Kirche – weil wir im eigenen Saft schmoren.
    Viele gute potenzielle Mitarbeiter gehen uns verloren, weil sie keine Gemeindeglieder sind – und damit Impulse von „draußen“. Pfarrer werden als Theologen ausgebildet und müssen dann plötzlich die Aufgaben als Manager, Controller, Hausmeister und Eventorganisator mit übernehmen – ohne Ausbildung dafür. Kirchvorsteher kommen ohne besondere Schulung mitten aus der Reihe der aktiven Gemeinde – und dennoch sollen sie etwas verändern, ggf. ihre persönliche Heimat in der Gemeinde abschaffen. Impulse für Veränderungen in Gottesdiensten, die vielleicht vom Gemeindepädagogen kommen werden oft als Angriff auf die Kompetenz des Pfarrers gewertet, weil er/sie sowieso immer in der Defensive ist.

    Daher braucht es in meinen Augen viel Kraft und langen Atem, um eine Kultur des Ermöglichens zu schaffen, damit dann auch neue Wege gegangen werden können.

    Und vielleicht sollte man auch mal anfangen sich damit zu beschäftigen, was die „Kirchenfernen“ denn tatsächlich wollen. Das was sie nicht wollen zeigen sie uns ja recht deutlich. Aber vielleicht wollen manche einfach auch wirklich mal Abstand? Ich könnte das irgendwie auch verstehen…

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  19. Ich sehe das ähnlich. Das Programm für Studenten oder generell Leute in den 20ern lässt auch meistens schwer zu wünschen übrig. Mir gefällt zum Beispiel die Musik der Freikirchen sehr gut. Mit Band. Lieder von Hillsong, Lieder die nicht älter sind als ich selbst. Predigten die man einfacher formulieren könnte. Ich möchte die Bibel erklärt bekommen oder zumindest ne Anregung zum nachdenken bekommen. Ich bin nicht im Gottesdienst um eine Theologievorlesung zu hören – mit möglichst vielen fachvokabeln. Mir fehlt auch oftmals einfach ein bisschen die Emotion. Warum muss immer alles todernst und feierlich sein? Warum nicht ein bissl Spaß? Freude? Begeisterung? Gott sei dank habe ich eine wundervolle lutherische Gemeinde in kiel gefunden die all das bietet. Und zusätzlich auch traditionelle Gottesdienste mit Orgel. Unser Anteil an Mittzwanzigern ist der höchste, den ich je in einer Landeskirche erlebt habe.

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  20. Ihre Gedanken sind auch die Gedanken von meiner Frau und mir. Ich bin 47 Jahre alt und arbeite als Prädikant und als Posaunenchorleiter in zwei Gemeinden mit. Würde ich das nicht machen, wäre ich wohl in der “ Kirche“ nicht zu sehen. Jahrelang haben wir probiert, Menschen zu erreichen: Teenie-Zelten, Bibelkreis für Jugendliche etc. etc. Und doch haben wir den Eindruck: wir werden torpediert durch Pfarrer und KV. Anscheinend ist auch nicht der Wunsch in unserer Gemeinde nach Wachstum und Veränderung. Was können wir den Menschen bringen? Die unverfälschte Botschaft von der Liebe und Erlösung Jesu Christi!!! Das ist unser Auftrag. Und dann wird unsere Kirche wieder attraktiv: Auch für Familien und „mittelalterliche“ Menschen.

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  21. Zwei Dinge erlaube ich mir, zu bedenken zu geben:
    1. Die Sache mit der „Freien Pfarrerin“ würde ich auf „Ernsthaftigkeit“ prüfen wollen: Soll es so frei sein, dass man sich in und mit seinen Diensten sein Geld auch selbst verdienen muss oder will man den Vorteil der Verbeamtung gerne beibehalten, aber einfach für den „Standard Volkskirchlichen Dienst“ nicht mehr zuständig sein? Ein Freikirchler würde das vielleicht „halbherzig“ nennen (oder schlimmer…).
    2. Es könnte aber, ggfls., ganz vorsichtig formuliert, bei aller gebotenen Zurückhaltung, niemand anderen zu verletzen, auch sein, dass wir Kirche nicht daran kranken, dass wir keine passenden Angebote haben, sondern dass wir unsere Botschaft so verwässert haben, dass sie einfach nicht mehr lebensrelevant ist. Und wenn meine Predigt mit der Wahlkampfrede der Grünen um sozialen Frieden und Umweltschutz verwechselt werden kann, braucht es schon gute Gründe, warum jemand dazu in die Kirche gehen sollte. Am aktuellen Europawahlkampf kann man das allgemeine Interesse an solchen Reden beobachten…
    Ich glaube, dass wir lebensrelevant werden müssen und das werden wir nicht, wenn wir weiter versuchen, es allen recht zu machen. Wer sich positioniert, ist angreifbar, bietet aber, das kennen wir schon aus der Kindererziehung (oder, wer keine eigenen Kinder hat, vielleicht aus seiner eigenen Jugend), auch Reibungspunkte, an denen Wachstum geschehen kann. Und wer sich dann an dem „geschärften Profil“ stört, der kommt auch nicht in die Kirche, wenn wir unsere Eventkapazitäten mit Wohlfühlcharakter ausbauen.
    Gottes Segen für Euch alle wünscht,
    Alexander

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    1. Kurze Anmerkung: Ja, ab Januar ist es tatsächlich so frei, dass ich mein Geld selber verdienen muss, keinerlei kirchliche Bezüge mehr, keine Beihilfe zur Krankenkasse, null. Allerdings bin ich „nur“ beurlaubt, wenn es überhaupt hinten und vorne nicht reicht, würde ich mich auf eine halbe Pfarrstelle bewerben. Aber vorher probiere ich es „frei“ und eventuell mit Nebenjob zum Broterwerb.

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    2. Hallo Alexander,
      wer – bitte – versucht denn, es allen Recht zu machen?
      Und warum werden Predigten angeblich immer mit den Wahlkampfreden der Grünen, aber nicht mit denen der CSU für vergleichbar gehalten?
      Oder denen der FDP?
      Und wenn wir schon bei der Parteipolitik sind:
      Ist es nicht schon in der Bibel ein Problem zwischen sozialen Ansprüchen Gottes und religiösen Ansprüchen? Und werden nicht schon bei den Propheten die religiösen Ansprüche regelmäßig den sozialen Ansprüchen untergeordnet?

      Was fordert Gott dann von uns ganz praktisch im Blick auf das tägliche Leben?
      Was fordert Gott im Blick auf soziale Gerechtigkeit, wenn wir mal unseren Konsum kritisch hinterfragen und an die denken, die unsere Konsumgüter auf der ganzen Welt produzieren?
      Was fordert er im Blick auf jene, bei denen es mit dem klassischen Familienbild (Vater – Mutter – Kinder) leider nicht auf Dauer geklappt hat und nun das Leben in Patchwork organisiert werden muss?

      Sind das alles nur grüne Wahlkampfreden – oder finden sich nicht genau diese Ansprüche schon in der Bibel?

      Vgl.: Der Priester und der Levit verhalten sich im religiösen Sinne vollkommen korrekt. Berühren sie Blut, sind sie für den heiligen Dienst im Tempel unbrauchbar geworden und können ihre Kollegen dort in ihrem Dienst nicht ablösen.
      Jesus hinterfragt die religiöse Rechtfertigung ihres Verhaltens und stellt den (im klassisch jüdischen Sinne) unreligiösen Samaritaner als Vorbild hin.

      Könnte es nicht sein, dass viele Fromme es noch nicht begriffen haben, dass die Bibel selber genau das einfordert, was von vielen zu Unrecht als „grüne Wahlkampfrede“ diffamiert wird?

      Womit wir jetzt deutlich vom Betreff dieses Blogs abweichen…

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  22. Ich hoffe, ich trete Ihnen nicht zu nahe, wenn ich sage, dass mir Ihre Stimmung und ihre Lähmung sehr bekannt vorkommt: Aus den letzten Jahren der DDR. Um das länger ausführen zu können, müsste sich aber meiner These nähern, dass die DDR wie ein Gottesstaat war: Es gab ein ideologisch festgelegtes, mit viel Aufwand wissenschaftlich untermauertes Ziel, nachdem die Bürger streben sollten. Da hinein konnte man sich einrichten – so oder so, mit Akzeptanz oder Ignoranz. Und diese Ideologie – um nicht zu sagen: dieser Glaube – hatte irgendwann keine Worte mehr, jedenfalls keine, die ankamen. Dann kam die Implosion, kurze Zeit ein Vakuum. Und das wurde dann von anderen Sachen aufgefüllt.
    Ich stehe morgens immer dann auf, wenn im Deutschlandfunk die Morgenandacht kommt. Manche find ich gut, manche find ich doof. Aber immer, immer, immer denke ich: Verdammt noch mal, ihr habt doch andere Probleme! Niemals ein Wort über den Zölibat, über den Kindesmissbrauch, über euren Reichtum, über die Kirchensteuern und darüber, dass die Kirche trotz der Trennung von Kirche und Staat immer noch jährlich Geld aus dem Staatshaushalt kassiert, um die Bischöfe bezahlen zu können. Sind das haltbare Zustände? Ja. Das kann noch -zig Jahre so weitergehen.

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  23. Liebe Kommentatoren alle! Hier tut sich so viel, dass ich gar nicht alles ausführlich lesen geschweige denn drauf reagieren kann. Das finde ich toll. Momentan beschränke ich mich drauf, neue Kommentare zu überfliegen und freizuschalten. Hoffentlich demnächst mehr, macht einfach weiter, wenn ihr wollt.

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    1. Danke nochmal für Ihr offenes und ehrliches Outen als unzufriedene Kollegin! Das wirkt für mich auch wie ein befreiender Tabubruch. Diskussionen über das Thema finden ja mittlerweile per mail, Facebook etc. statt…

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    1. Äh eigntlich wollte ich weiter schreiben.
      Ich glaube es gibt ein großes Problem bei allen Religionen, sie halten ihren Fokus gar zu arg auf das was trennend ist.
      Es gibt aber viel mehr gemeinsames, gerade in den Religionen, vielleicht ist da zu viel Angst den Boden unter den Füßen zu verlieren, wenn man sich als Kirche zu weit öffnet.

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  24. Liebe Pfarrerin Müller, danke für den Text! Als Prädikant, KV-Mitglied und Sänger in einem Gemeinde-Gospelchor mit Menschen mit vielen verschiedenen sozialen Hintergründen, wundere mich derzeit, was seitens des KV losgeht, weil ich in der Predigt am Sonntag Kantate darum warb, dass man mit „bunten“ Gemeindegruppen wie diesem Chor (der noch dazu die größte sich regelmäßig treffende Gruppe ist) redet, vor allem jetzt, da unser Kantor bald neue Wege geht.
    Es beruhigt mich ungemein, zu lesen, dass woanders auch „Ruhe“ das oberste Ziel des Gemeindelebens zu sein scheint und nicht „dauernd was neues“. Übrigens lebe ich in einer Stadt mit 500 Tsd. Einwohnern! Es scheint also keine Frage der Heimat der Gemeinde zu sein.

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    1. Hier muss ich mal meinen KV in Schutz nehmen. Und auch meine noch-Gemeinde. NEin, Ruhe ist nicht das oberste Gebot. Es gibt viele gute Ansätze und engagierte Leute. Vielleicht ist das, was ich da wahrnehme, auch gar nicht ein Problem der Gemeindearbeit/ Gemeindestrukturen an sich, sondern ein Erbe der „Volkskirche“. Diese schätze ich einerseits sehr, denn es gibt wenige Organisationen, die so viel unter ihrem Dach vereinen. Andererseits kommt es mir aber oft vor, als ob die echten spirituellen Fragen hier zu einer Art „Besänftigungsmelodie“ verkommen. Dinge, die zum „Wohlfühlen“ querstehen, kommen nicht vor oder werden geglättet. NEin, vermutlich werde ich auch nicht als „Franziska von Assisi“ barfuss und in Lumpen über Land ziehen und den radikalen Lebensstil Jesu propagieren. Aber mir wird immer mehr bewusst: Die Kirchen haben aus der Botschaft eines (wahrscheinlich) ledigen Wanderpredigers, den seine eigene Familie für verrückt hielt, eine bürgerlicher Religion gemacht, deren berufliche Vertreter ein gutes Beamtengehalt bekommen und mietfrei wohnen. Das Unbehauste, Ungewisse, die Wüste, der steinige Weg…sind weggefallen zugunsten eines oft lauen Mixes religiöser Allgemeinplätze, die keinem weh tun, aber auch niemanden wirklich heilen. Ich finde, „wir“ sind einfach nicht besonders glaubwürdig. ICh will nicht die „Märtyrerkirchen“ in anderen Teilen dieser Welt glorifizieren oder eine Christenverfolgung als erstrebenswerten Zustand zur Läuterung der Kirche verklären. Aber manchmal, wenn ich Berichte aus anderen Teilen dieser Welt höre, wo Christen um ihres Glaubens willen bis aufs Blut schikaniert werden, packt mich doch eine gewisse Scham.

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  25. Das ist – denke ich – richtig gesehen. Ich war Zeit meiner Berufstätigkeit froh, nicht Gemeindepfarrer zu sein, die bekannte eierlegende wohltönende Wollmilchsau mit kleinbürgerlichem Publikum. „Sonderpfarrer“ sind wirklich privilegiert. Ich will nicht weiter davon schwärmen, sonst werden die Kollegen neidisch.
    Sonderpfarrer sind aber wohl meist auch sperrig für die Kirchenoberen, ich war es und bin es immer noch. Darum sollen sie an die Gemeinden angebunden und dort domestiziert werden, denn die Gemeinden sind wohl meist so, wie hier beschrieben, die kriegen das hin.
    Auch mich reizt an den Gemeindeangeboten nichts, jedenfalls fast ausnahmslos, dabei gibt sich der Kollege vor Ort wirklich Mühe und scheint bei seiner Gemeinde beliebt zu sein.
    PS: In meiner Vikarszeit wurde das Gemeindehaus grundsaniert und umgebaut, in Eigenleistung. Mein Vikars„vater“ sagte: Da kommen Leute und packen mit an, die habe ich noch nie gesehen.

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  26. Zu „Gemeindearbeit kommt doch erst dann ins Rollen, wenn es ein paar Leute gibt die sagen: ‚Jawoll, wir wollen da was….'“ – das ist ein Henne-Ei-Problem. Die meisten Leute wissen gar nicht, dass sie was wollen könnten. Und, ja, etwas neues zu initiieren ist mühsam, aber es kann sich lohnen.

    In Bremen haben ein paar Begeisterte ein Laien-Gesangsprojekt hochgezogen. Wir schmettern jede Woche mit viel Freude uralte christliche Hymnen… und die meisten von uns sind Atheisten. Der Autor dieses Kommentares auch.

    http://www.sacredharpbremen.org

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  27. Bei uns gabs Leute, die gefragt haben. Die gesagt haben: „Ja – wir wollen da was“. Sogar Leute die gesagt haben: „Wir wären bereit uns einzubringen“. Keine Chance. Ich glaube die Kirchenvorstände wollen einfach keine neue Zielgruppe erschliessen. Was soll’s – die Generation der 20-60jährigen geht dann halt in die VHS und deckt ihre spirituellen Bedürfnisse mit Meditationskursen und Gesprächskreisen über Gottt-und-die-Welt. Von der Kirche wahrgenommen werden Erwachsene doch nur, wenn sie Eltern werden oder Kasualien anfragen.

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  28. Liebe Frau Müller, ich danke Ihnen herzlich für diese Offenheit. Eine Leserin des Kirchenmagazins 3E bestätigte kürzlich ihren Eindruck. Sie schreibt: „Was mich schon lange ärgert, als Frau (42 Jahre alt, ungewollt kinderlos, voll berufstätig) das die Kirche nichts, aber auch wirklich gar nichts für die Generation mitten drinn zwischen Konfirmation und Rente anbietet. Es fehlen die Angebote, die Spaß machen und ungezwungen die Gemeinschaft fördern (außer Chor). „Missionarisch aufbrechen“ könnte nach meiner Überzeugung auch bedeuten sich mal ganz „unchristlich“ um die „nicht Bedürftigen“ zu kümmern. Die Kirche fängt alle Menschen mit Problemen auf, aber wo ist Platz für die Normalos, die voll berufstätig sind und mit ihrer Kirchensteuer den Laden am Laufen halten?“

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  29. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei Frau Müller und allen anderen Kommentatoren für ihre Offenheit. Nachdem ich mittlerweile mehr als 25 Jahre auf der Kanzel stehe (falsch – tu ich seit etwa 10 Jahren nicht mehr – ich predige „in“ der Gemeinde – Funkmikro machts möglich), kann ich nur sagen – ja, in vielem was die Kollegin bemängelt kann ich mich selbst wieder finden. Der Hinweis auf Gott 9.0 ist nicht schlecht – in der Tat haben wir es mehrheitlich mit blauen 4ern (was immer war ist wahr und rüttle mir keiner an meinem Kinderglauben) und grünen 6ern zu tun (lasst uns erweckt und bewußt ökologisch kirchentagskuscheln und Taizelieder singen – satiremodus aus). Die individualistischen 5er sind eher in der Wirtschaft zu finden… Von daher sind für alle, die eben nicht mehr kuscheln, aber auch nicht mehr biblizistisch in irgendwelchen Hauskreisen wohlfühlen, im „Normalangebot der „Volkskirche“ tatsächlich nicht bedient. Müssen sie, wenn sie sich selber ernst nehmen aber auch nicht. Schließlich wäre sie 7er, die in die Lage gesetzt sind die anderenStufen zu überblicken ohne sich über sie zu überheben; vielmehr, sie zu integrieren.

    Ich denke keiner von uns hier glaubt mehr an Weihnachtsmann, Nikolaus oder nen Gottvater auf dem Wolkenthron. Wie aber dann als Pfarrer in einer volkskirchlichen Gemeinde nicht nur leben, sondern in Botschaft und Glauben authentisch bleiben – scheint mir hier die Frage. Das ist im Grunde – nach langen Jahren der Kämpfe mit mir selbst – eigentlich recht einfach. Integriere sie, sei den Griechen ein Grieche, den Juden ein Jude – und vergesse dabei nicht, wer du bist und was du glaubst. Wir haben hier einen kleinen aber feinen hochintellektuellen Gesprächskreis – man könnte ihn fast einer gemeinsam organisierten Philosophenschule vergleichen.

    Natürlich brauche ich einer alten, zugewanderten Siebenbürgerin nicht mit irgendeiner Bibelexegese oder gar den Funden von Nag Hamadi kommen. Die will und braucht ihr traditionelles, oft schmerzlich vermisstes, heimatliches Gefüge (das ist ja auch nicht verwerflich) – und wir singen dann irgendwann am Grab: So nimm denn meine Hände…
    Dass das für einen hochintellektuellen Abteilungsleiter einer Weltfirma Humbug ist, mag sein, aber dem dann eben intellektuell und immer offen – egal wer und wem gegenüber. Nur so wird ein Schuh draus. War es nicht so, dass Joshua sich unabhängig von Herkunft und sozialem Stand einfach den Leuten öffnete und ihnen eigentlich nur eines predigte: Kehre um – das Reich ist nah – Mit anderen Worten: Heb den Blick vom Boden auf und blicke in die Sonne, ohne mit der Wimper zu zucken… ?vielleicht so.

    Natürlich ist das Wort Jesu aus dem Thomasevangelium wohl richtig (und wahrscheinlich original): Das Reich ist über die Erde gebreitet, nur die Menschen sind blind und sehen es nicht. Und ebenso richtig (und wohl ebenfalls Originalwort Jesu): „Wenn jene, die euer Herz an sich ziehen wollen, euch sagen, dass Reich sei im Himmel, werden die Vögel des Himmels eher da sein als ihr – und wenn sie euch sagen das Reich sei im Meer, werden die Fische des Meeres eher da sein als ihr, vielmehr – das Reich ist in Euch und außerhalb von Euch. Wenn ihr euch erkennt, werdet ihr erkennen, dass ihr Kinder des lebendigen Vaters seit, erkennt ihr euch nicht, seit ihr Armseligkeit…“ (EvTh. Log 3)

    Unser Ansatz in der Gemeinde, die lange selbstverhaftet und vergangenheitsorientiert war, die neidisch auf die scheinbar so erfolgreiche Nachbargemeinde im Stadtrandspreckgürtel war: Wir bieten Raum und Dach – mitten in der taxt und mitten im Hier und Jetzt (wir sind Stadt- aber keine Citykirche) – Die Angebotskultur (in der wenige haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende für passive Konsumenten etwas bieten, und sich wundern, wenn die Kunden weniger werden, weil sie älter werden und – sterben…. ) wird nach und nach abgeschafft zugunsten einer Mitmachkultur (bis hin zum Gemeindefest – warum sollen sich ne Handvoll Leute krummbuckeln für nen Haufen Senioren und noch einiger anderer Besucher, die das Ganze als Stadtteilfest – wir sind ne Großstadt in Bayern – missverstehen? – also gibts ein Mitmachfest – für Mitarbeiter und Freunde unserer Gemeinde). Ansonsten halten wir es wie in unserer Jugendarbeit – wir bieten Raum und Zeit – auch Ressourcen, unser Equipment, manche finanzielle Mittel, die notwendig sind, und dann leben wir Glauben – unter diesem Dach mit alt und jung und sehr unterschiedlicher Frömmigkeit. Und was den eigenen Glauben angeht – wir Theologen antworten gerne – so mein Eindruck – auf Fragen die keine Sau gestellt hat (mein größtes Leiden am Religionsunterricht in Hauptschulen). Leitmotiv hier: Wenn dein Sohn (deine Tochter) dich aber FRAGT, dann antworte: der Herr, unser Gott, ist einer…

    Verflixt, wir tun oft so als würden wir uns allen anbiedern, um ja keinen vor den Kopf zu stoßen. Dass vieles, was bei uns möglich ist, auf nem fränkischen Dorf eher nicht geht, habe ich und meine Familie selbst leidvoll erfahren müssen. Aber da hab ich mir inzwischen das Fell zugelegt: Jesus sagt: Werfe die Perlen nicht vor die Säue (ist ja so – evangelischer Pfarrer in nem fränkischen Dorf kann ne Höchststrafe sein – weil sich nicht bewegt und das Leben vergeht). Es sei denn man kehrt den Spieß wie Wolfgang Buck einfach um… 😉

    Bei uns geht was – weil nach Jahrzehnten die Hauptamtlichen zusammenziehen und die KVler und die Zentralen Alphas mitziehen…
    Und das ganze kommt an – plötzlich wollen die Leute bei uns in der Stadt (und nicht mehr nur in der kuscheligen Vorstadt) taufen und Hochzeiten feiern – und die Konfis kommen zurück… Weil wir sie alle ernst nehmen und bereit sind, einige Wegstrecken miteinander zurückzulegen… (Wir haben übrigens inzwischen ein Konfisommercampmodell – 12 Tage in den Alpen, in denen der gesamte Kursblock inhaltlich läuft – danach die Gemeindephase mit Gottesdiensten, Projekten, offenen Treffen, unter dem Motto: Beten und Arbeiten – Jugendliche sind Feuer und Flamme, wenn man ihnen ne Hilti in die Hand drückt und sagt – he – die Mauer da muss weg…)

    Also langer Rede kurzer Sinn – nicht gegen euch alle Aussteiger und Sonderpfarramtsinhaber – aber mitten in einer volkskirchlich geprägten Gemeinde kann man auch gut sein, wenn man sich nicht verbiegt, aber die Leute ernst nimmt, da wo sie sind…
    LG Andreas Jacubasch, Pfarrer in St. Markus / Ingolstadt

    Wen’s interessiert:
    https://www.facebook.com/Markuskirche
    https://www.facebook.com/Markuskirche.Jugend

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  30. um die Anfangsfrage noch zu beantworten – welche Gemeindeveranstaltung würde ich besuchen… die Konzerte mit unserem hochklassigen Gospelchor und auch die der Bläser – wenn ich grad nichts anderes vorhab. Meine eigenen Gottesdienste – ehrlich? manchmal! Alles, wo Mitmachkultur herrscht, und ich allenfalls als Spezialist- und Profi gefragt bin – alle!

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  31. Liebe Schwester Müller,
    danke für Ihren Beitrag. Sie haben die Wahrheit gesagt. Ich freue mich darüber und kann Ihnen nur zustimmen.
    Bin selbst seit 30 Jahren Prädikant und seid 32 Jahren Presbyter und alles Reden bin hinein in die Landeskirche Landessynode und theologische Ausschüsse in denen ich mitarbeite erscheint sinnlos. Kirche verschläft in großer Selbstherrlichkeit die Zeichen der Zeit.
    Nochmals Danke und Gottes Segen.

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  32. Also in unserem kleinen Dorf mit ebenso kleiner Kirchengemeinde gibt es natürlich die verschiedenen angesprochenen Kreise wie Seniorenkreis, Kirchenchor, Posaunenchor und Krabbelgruppe. Aber wir haben auch eine Veranstaltung, die sich „Bibel und Kicker“ nennt, zweimal im Monat Mittwoch abends stattfindet und wo sich (fast) nur etwa 41jährige Akademiker treffen :-), gelegentlich verheiratet, aber nicht zwingend erforderlich. Es wird Kicker oder Billard gespielt, dann Bibel gelesen und darüber diskutiert, am Ende kann man nochmal spielen, wenn man will. Dazu gibt’s ein Bierchen oder auch Wasser und Wein. Eine tolle Veranstaltung. Ich besuche auch in einer anderen Gemeinde einen klassischen Bibelkreis mit lauter Erwachsenen. Senioren dürfen auch kommen, sind aber nicht die ausschließliche Zielgruppe und auch nicht der ausschließliche Teilnehmerkreis. Klar gibt es Gemeinden, wo das nicht funktioniert oder man einen sehr langen Atem braucht, um was ins Leben zu rufen. Aber Kopf hoch, Christiane, versuch’s mal! Vielleicht klappt’s ja

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  33. Liebe Kollegin Müller,
    seit 20 Jahren arbeite ich als evangelische Theologin als „Randsiedlerin der Kirche“ und nicht im Gemeindedienst. (www.kairosis.de und http://www.boehlau.org) Ich kann Sie nur beglückwünschen, dieses Experiment auszuprobieren. Es bedarf einiger Risikobereitschaft und Unerschrockenheit. Der Gewinn ist bei mir eine überaus große berufliche Zufriedenheit und Wertschöpfung. Was könnte es Schöneres geben? Aus Dankbarkeit und auch aus Neugier werde ich nun ab Juli das Experiment wagen, für einige Monate eine halbe Vakanzvertretung in einer Kirchengemeinde in München zu übernehmen. „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“ (Sören Kierkegaard),
    alles Gute in diesem Sinne für Sie,
    Sabine Böhlau aus München

    P.S. wir sind gerade dabei, ein „Forum für theological entrepreneure“ – wie Sie nun auch eine sind – für all die Theologen und Theologinnen (zunächst) in Bayern zu organisieren. Wir melden uns bei Ihnen beizeiten.

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    1. Hallo, und vielen Dank. Und grüßen Sie mal ganz herzlich den Tilmann Haberer! Uralter Freund, Bruder und Wegbegleiter. Eine seiner ersten Äußerungen zu mir im Pfarramt: „Na gut, dann lass dich halt mal ordinieren. Aber ich glaube nicht, dass du im Pfarramt alt wirst.“ 😀

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  34. Danke an die Kollegin für die treffende Einschätzung und Beschreibung. Es erleichert zu entdecken, dass man/frau doch nicht allein ist mit diesen Beobachtungen und dem Leiden daran …

    Unsere Kirche ist nur auf Ehe und Familie und den Nachwuchs ausgerichtet, den sie verzweiflelt versucht zu erreichen … Liegt das vielleicht nicht nur an der Verengung unserer Volkskirche, sondern am Wesen von Religionen, denen Generativität eingeprägt ist? Dass die entscheidende Figur unserer Religion nicht verheiratet war und keine Kinder hatte, wird ausgeblendet. Oder liegt es am Selbsterhaltungstrieb der Institution??
    Leider reagiert die Kirche oft auch nicht angemessen auf die demographische Entwicklung: Ein neues, zeitgemäßes Konzept der Arbeit für SeniorInnen? Meist Fehlanzeige. Es gibt ein bezahltes Jugendpfarramt, aber in den seltensten Fällen ein vergleichbares SeniorInnen-Pfarramt. Und Altenheimseelsorge? Fehlanzeige. Viel zu wenig Personal wird dafür eingesetzt! Nur Beispiele, um von der eigenen, privaten Betroffenheit als berufstätige Single-Akademikerin wegzukommen … Gute Trauergespräche mit Angehörigen, sorgfältige Gestaltung der Trauerfeiern? Das mach´ ich in meiner Freizeit, denn mein Pensum als Gemeindepfarrerin lässt dafür kaum Zeit. Ich soll es routinemäßig machen, war die Antwort, als ich mich darüber beklagte. Ich erlebte privat schon Trauerfeiern von Kollegen, die waren so schlecht – sicher weil sie keine Zeit hatten, ich mach´ ihnen keinen Vorwurf – das will ich nicht so machen.

    Tina

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  35. Liebe Kollegin Müller,

    ich habe kurz von Ihnen in der von mir immer noch abonnierten Zeitschrift „Brennpunkt Gemeinde“ gelesen und bin neugierig auf den Blog geworden. Besonders interessant auch die Ausführungen zu Susan Cain.(doe übrigens für mich interessanterweise gerade beim internationalen Willow-Creek-Kongress in Chicago aufgetreten ist – etwas. was mich eigenartig fasziniert und zugleich habe ich das Megachurchwesen auch immer als ziemlich „hysterisch“ wahrgenommen, was dann wohl auch wieder nicht zu mir passt.

    Mir geht es in vielem ganz anders (in meiner Frömmigkeit bin ich eher etwas „evangelikaler“ geworden) und doch wieder in vielem auch ähnlich (Leiden an mancher kirchlichen Vereinsmeieri, an den „vielen oberflächlichen Kontakten“, daran, dass Gemeinden offenbar nur die „Hysteriker“ suchen). Gerade mit einer Bewerbung gescheitert in der Ortsgemeinde, in der ich lebe und die ich auch liebe und offenbar doch nicht der „Richtige“ bin.

    Eigentlich bin ich ja auch ganz glücklich in meinem Vertretungspfarramt (alle freuen sich, wenn ich komme; ich kann mich auf die Kernaufgaben beschränken; wenn die „vereinsinternen“ Konflikte ausbrechen, kann ich gehen; ich habe bestimmte Typen von Mitarbeitern nicht wenigstens noch vor einer Pfarrhaustür mit dünnen Wänden.

    Und manchmal das Empfinden: Wie kann ich als FÜNF Pfarrer sein? (Manche sind etwa bewusst in die Klinikseelsorge gegangen).

    Ich finde Ihren Weg in manchem fremd, aber eher spannend und wünsche Ihnen alles Gute

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    1. Hallo- vielen Dank für den Kommentar! Meine beste (oder eine sehr gute) Freundin ist eine FÜNF. Auch Pfarrerin. Ich selber bin eine NEUN. Naja, jeder hat seinen Weg. Ob das was ich vorhabe für mich auf Dauer richtig ist, muss sich zeigen. Aber als ich heute Mittag im Fitnessstudio auf dem Cardiotrainer meine 30 Minuten Hügeltraining runter gerissen habe, las ich, entgegen meiner Gewohnheit, eine dieser Frauenzeitschriften und da begegnete mir ein ebenso genialer wie einfacher Satz: „Es gibt keine falschen Entscheidungen.“ Und zwar deshalb, weil niemand je herausfinden wird, wie es mit der anderen Entscheidung weitergegangen wäre. Das finde ich sehr entlastend. Viele Grüße und noch mal danke!

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  36. Tja Kollegin, ob das in der Kirchengemeinde in K…dorf nun „kühl“ ist oder nicht, hätte ich als Pfarrer (z.A:) dort auch nicht beantworten können. In jedem Fall aber erachte ich, was die Historie und Bedeutung dieser Art des einst neuen Gemeindezentrums angeht, die Erscheinung als völlig überschätzt. Zu dumm nur, dass mit dem Namen des Gemeindezentrums der Name eines Landesbischofs verbunden ist. Dann muss es ja gut sein. Blöd nur, dass scheinbar immer noch einem Wunschbild hinterhergerannt wird. Und blöd auch, wenn altes, reaktiviertes Personal sich dann noch aufbläht und den Besuchsdienst bestimmen will. Aber in diesem konkreten Fall ist eh Hopfen und Malz verloren und man gehe in Deckung.

    Was die/Deine Situationsanalyse angeht: trefflich! Unsere Landeskirche ist aber doch drauf und dran, genau diese Probleme zu „lösen“. Und zwar auch durch ihre Projektflut, die seltenst weder eine wirkliche Bereicherung darstellen, noch tatsächlich die Menschen im Blick haben. Hier entlarven sich doch die Macher darin, oft offensichtliche funktionale (nicht menschliche!) Nutzlosigkeit zu kaschieren. Und manche, die diese Projekte und Aktionen aufgreifen und vor Ort lancieren, suchen mitunter auch sehnsüchtig nach einem Ort, der Ihnen Geltung verschafft oder pflegen die Möglichkeit in der Hierarchie bemerkt zu werden.

    Auch der neue Pfarrerbildprozess in Bayern trägt bei: es geht um ein paar Äusserlichkeiten, doch nicht darum, ob Du selbst in Leben und Arbeit einen Platz hättest. Allein diese Fragestellung würde erzwingen, endlich Dienstwohnungen aufzugeben und die Pfarrämter aus den Pfarrhäusern zu entfernen. D.h. auch den Beruf dahingehend zu professionalisieren, sich je nach Kontext, das Berufssbild Pfarrer/in von den alten Klischees der Geburtstagsbesuche zu befreien; auch davon, dass unsereins zusammen mit Vereinsvorständen und Bürgermeistern eine idealisierte Vergangenheit in Dorf und Stadtteil folkloristisch simuliert, statt eine neue Art zu finden, für die Menschen da zu sein. Die neue KMU belegt nun, dass Kirche fast ausschließlich über Personal vor Ort wahrgenommen wird und die Antwort der Kirchenleitung darauf ist, zurück zu den Wurzeln zu streben und den Überbau noch weiter aufzublähen. Das übrigens hält auch davon ab, Inhalte z.B. von Bekenntnis und Verkündigung zu überprüfen. Kein Mensch fragt z.B. nach, ob den Pfarrer und Pfarrerin eine (innerliche) Not erleben, weil sie selbst nicht mehr oder anders glauben und denken, als die Kirchen offiziell reden. Aber das geschieht ja auch nicht in Bezug auf die Kirchenmitglieder, die mit ganz anderen und entwickelten (oder degenerierten) religiösen Vorstellungen bei Trauergesprächen, Trauungen und Taufen einem gegenüber sitzen.

    Aber darum geht’s ja auch gar nicht. Wie lautete die Botschaft an die Synodalen doch so schön beim Eröffnungsgottesdienst der Dekanatssynode in DEINER Kirche: Es geht darum, eine gesellschaftliche Relevanz zu erlangen. Eben das war gut verpackt in andere unauffällige Rede. Aber genau das öffnet der Substanzlosigkeit und Niveaulosigkeit Tür und Tor.

    Gruss aus Elsa und: Alles Gute!

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    1. Hallo, lieber (noch)Amtsburder, ich weiß ja wer du bist. Gut gesagt. Im Zuge des Neustarts bei mir denke ich über manches selber wieder neu nach. Merke zunehmend: Real existierende Kirche ist nur noch sehr am Rande ein Ort, wo man/ich wirklich das Evangelium kommunizieren kann und wirklich substantiell bei Menschen was passiert. Ich überlegte: Was waren, nach meiner Taufe mit zwanzig Jahren, die Orte/ Menschen, die mich geistig und geistlich echt geprägt haben? Das waren die evangelischen Studentengemeinden. Nicht eben repräsentativ für „normales“ Gemeindeleben. Das war, ganz konkret, so jemand wie der Tilmann Haberer. Der auch überhaupt nicht repräsentativ für „normales“ Gemeindeleben ist. Das war die katholische Exerzitienbewegung. Thomasmesse. Und immer wieder eigenständige Lektüre und lange Gespräche mit guten Freunden. Was die Reaktivierung alten Personals betrifft: Darüber schüttelte ich auch den Kopf. Aber vielleicht besser so, als wenn sie Kollegen im aktiven Dienst noch mehr verheizen, als das eh schon der Fall ist. Deine Beobachtungen teile ich allesamt. Auch und besonders die zum „Pfarrerbild“. Ehrlich gesagt ödet mich diese Flut kirchlicher Profilierungsversuche total an. Auch von daher: Für mich erst mal neue Wege und Abstand zu dem ganzen. Vielleicht „egoistisch“ – vielleicht auch nicht. Immerhin spart sich die Kirche meine Alimentation und meine Beihilfe. Dafür kann man sicher ganz viele Hochglanzbroschüren drucken lassen. Dir auch alles Gute! (Aus dem Kartonchaos winkend…)

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  37. Hallo, ich stoße erst jetzt auf diese Seite, freue mich aber riesig über die offene Debatte.
    Vielleicht reichen für die Zukunft keine freilaufenden Pfarrer/Innen aus. Schon die Wortwahl lässt vermuten, dass der jetzige Zustand mit irgendeiner Form von Gefangen sein zu tun hat.
    Kirche wie wir sie kennen, ist doch nur ein frei gewählter Rahmen aus einer ganz bestimmten Zeit. Um ein Bild wieder neu interessant zu machen, bedarfs es vielleicht auch eines neuen Rahmens. Ich habe den Eindruck, dass oft eher am Rahmen festgehalten wird als am Bild. Dann fällt auch gar nicht mehr auf, wenn jemand den Inhalt übermalt, verändert oder gar ganz entfernt. Für mich spielt für meine Sichtweise das Bild vom elektrischen Strom ein wichtige Rolle. Ziel war es immer Strom anzubieten, damit man Licht, Wärme und Bewegung nutzen kann. Wie die Leitungen, Sicherungen oder Endgeräte aussehen, ist am Ende immer Geschmackssache und der ist wieder vom Trend der Zeit abhängig. Natürlich kommt der Strom auch durch die alten Leitungen, Sicherungen und etc., aber neben den Wenigen, die das auf lange Sicht immer noch gut finden, landen sie letztendlich im Museum. So wie wir heute neue Formen der Kommunikation, der Partnerschaften, der Mobiltät und und und haben, so braucht es auch andere Formen von „Kirche“. Ich setze es in Anführungszeichen, weil es in meinen Kopf so grundhaft belegt ist. Ich würde es Labor nennen. Dann hat es etwas Beständiges und gleichzeitig eine Hinweis auf die Suche nach Neuem.
    Ich würde es auch Jahreszeiten nennen. Da steckt Wandel, Aufbruch, Sterben und Dürre mit drin.

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    1. Hallo, ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich deinen (ich sag jetzt einfach mal du) Kommentar kommentiere und extra poste? Das was du schreibst, entspricht nämlich haargenau meinem Empfinden und Erleben! Danke.

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  38. Was soll ich sagen? Genau!
    Ich habe daraus auch meine Folgerungen gezogen. Mein Traum wäre z.B. eine kirchliche Beerdigungs- und Hochzeitsagentur, nicht als Konkurrenz zu den profanen Anbietern und den KollegInnen, sondern als hochkarätiges Element auf dem freien Markt – und den gibt es. Würde manche GemeindepfarrerInnen sehr entlasten – gerade bei Hochzeiten ist die parochiale Anbindung doch oft nur noch rein technischer Natur. Und ca. 1/3 aller Kirchenmitglieder lassen sich kaum noch kirchlich begraben. Das ist ein echter Markt: das können wir nämlich immer noch am Besten, weil wir inhaltlich etwas zu sagen haben, es ist auch eine „missionarische Gelegenheit“. Aber das wir noch so lange dauern, bis wir dergleichen brauchen, damit Geld reinkommt. Da beide Kasus keine Sakramente sind, ist das auch theologisch völig unproblematisch.
    Und was der Auszug der Intellektuellen aus der Kirche betrifft: jeder „Basar“ hat angesichts dieser Gruppe Fremdschämpotential. Und dabei haben doch auch hier als gut ausgebildere Akademiker (je nach Talent und Begabung) einiges zu bieten. Wenn wir uns für blöd verkaufen, werden wir auch für blöd genommen. Das ist noch ein weiter Weg. .

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    1. Wäre das fast ein Befreiungsschlag für überlastete Gemeindepfarrer? Jemand, der „Kasualien“ als Belastung empfindet, ist ohnehin fehl am Platz und taugt nicht zur Seelsorge. Die ist zwar nicht jedermanns Ding. Eine Rundfunkpfarrerin sagte mir rundweg, ohne dass es den Charakter eines Geständnisses hatte, Seelsorge sei ihre Sache nicht. Beruf verfehlt, dachte ich. Roland Kupski scheint Seelsorgeprofi zu sein. Doch die Kollegen in den Gemeinden seien gewarnt. Bei aller Distanz zur Zeremonienmeisterei sind sie mit den rites de passage immer noch am dichtesten bei ihren Gemeindemitgliedern. Wozu all die Jonglierkünste mit „zeitgemäßen“ Gottesdienstformen, die doch nur eine Art von Museumspädagogik sind und die geistig Anspruchvolleren aus der Kirche vertreiben. Sicherlich muss über die „Formate“ kirchlicher Angebote gesprochen, müssen sie ausprobiert werden. Ob aber „life“ gegen ausgefuchste Unterhaltungsangebote standhalten kann und ob die Kollegen das durchhalten, ohne dazu ausgebildet zu sein, durchhalten ohne Burnout, möchte ich doch infrage stellen. Wenn sie aber die Kasualien, nein, wenn sie die Menschen ernst nehmen, die eine bestimmte Lebenssituation mit ihrem Seelsorger gestalten wollen, dann ist das nicht nur ein Stück Lebenshilfe, besonders für Menschen in Trauer, sondern ist die wohl beste Möglichkeit auch öffentlich zu zeigen, dass wir für die Menschen berufen sind.
      Aber eine Spezialisierung? Vor einem hauptberuflichen Witwentröster und Hochzeitsbalsader würde mir grauen, sei es als Auftraggeber, sei es als mein Selbstverständnis als Pfarrer.

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